23.04.2025

Flinke Flitzer: Sicher durch den Sommer

Ob Rennrad oder E-Bike  – die warme Jahreszeit lockt viele Menschen mit ihren Zweirädern auf die Straßen. Damit steigt auch die Gefahr für Unfälle und Diebstähle. Ein Rad-und-Roller-Ratgeber für mehr Schutz.

Wer glaubt, man kann das Rad nicht neu erfinden, irrt sich gewaltig. Auf Deutschlands Wegen wimmelt es voller innovativer Velo-Variationen. Besonders wenn das Wetter wieder schöner und wärmer wird, sieht man sie über die Straßen flitzen: Gravelbikes, Lastenräder, Fatbikes, Cyclocrossbikes, Falträder, Pedelecs oder E-Scooter. Die Liste der Artenvielfalt ließe sich beliebig erweitern. Denn die Lust am Radeln und Rollern scheint erst so richtig Fahrt aufzunehmen. 

Laut Branchenverband der Fahrradindustrie ZIV tummeln sich heute in der Republik rund 89 Millionen Zweiräder – so viel wie nie. Besonders elektrifizierte Flitzer erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Allein der Bestand von E-Bikes ist inzwischen auf 15,7 Millionen gestiegen. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal 2,1 Millionen. Und das, obwohl auch die Preise kräftig mitgeklettert sind. Aktuell kostet ein Fahrrad mit Elektroantrieb durchschnittlich 2650 Euro. Auch für Fahrräder ohne Motor rufen Händler mittlerweile fünfstellige Summen auf. Da wechseln schon mal Premium-Rennräder mit Carbonrahmen für 18.000 Euro den Besitzer.

Diebe werden professioneller

Kein Wunder, dass die vielen schicken und teuren Räder für ein gesteigertes Interesse bei Dieben sorgen. Und die agieren heute äußerst gewieft. »Immer mehr Täter gehören zu Banden, die es auf hochwertige Marken und E-Bikes abgesehen haben. Zum Teil arbeiten sie auf Bestellung«, erklärt Michael Beyer. Der Hauptkommissar ist bei der Berliner Polizei vor allem für Fahrraddiebstähle und Hehlerei zuständig. »Viele der Räder werden in Einzelteile zerlegt und diese dann zum Beispiel über Internetportale verkauft.« Beyer spricht aus Erfahrung. Mit über 28.000 Fällen führt die Hauptstadt das aktuelle Radräuber-Ranking deutscher Metropolen an, gefolgt von Hamburg, Köln und Frankfurt (siehe Tabelle unten).

Radraub-Ranking: Die Top 10 unter den Großstädten 
Klare Diebstahl-Hochburgen: Deutschlands einwohnerreichste Städte verzeichnen auch die meisten Raddiebstähle. Allerdings kommt München mit rund 1,5 Mio. Einwohnern erst auf Rang sieben. (Die Grafik zeigt polizeilich erfasste Diebstähle 2022, Quelle: GDV)

Aber Raddiebstahl ist nicht nur eine Sache für Profibanditen. »Natürlich gibt es auch den Gelegenheitsdieb«, weiß Beyer, »der sich einfach ein vor dem Dorfbäcker abgestelltes Rad nimmt, um von A nach B zu kommen. Oder Beschaffungsdiebe, die das geklaute Rad für 20 Euro weiterverkaufen, um schnell an Geld zu kommen.«

In jedem Fall liegt die Aufklärungsquote über die Jahre recht konstant bei unter zehn Prozent. Warum das so ist, erklärt Beyer so: »Es gibt beim Fahrradklau meistens so gut wie keine Spuren, die man sichern kann.« Dazu komme, dass  viele Geschädigte die Taten nicht anzeigen, wenn sie keine Versicherung haben. Die Dunkelziffer dürfte deswegen weitaus höher sein.

Warum die Schadensummen bei geklauten Rädern steigen 

Versicherungen kommen für den Großteil der gestohlenen Räder auf. Rund 160 Millionen Euro haben die Assekuranzen 2024 für 135.000 als gestohlen gemeldete Fahrräder ausgezahlt – die höchste Summe bislang, wie die neuesten Zahlen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) zeigen. Im Jahr zuvor waren es zehn Millionen Euro weniger. »Die Täter gehen offenbar gezielter vor und stehlen vor allem hochwertige Räder und E-Bikes«, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Der durchschnittliche Schaden liegt inzwischen bei rund 1190 Euro – mehr als dreimal so viel wie vor 20 Jahren.

Ein Versicherungsschutz ist deswegen unerlässlich – nicht nur für Besitzerinnen und Besitzer von teuren Bikes. Auch für einfachere Drahtesel mit einem Anschaffungspreis von 500 Euro lohnt sich eine Police. Als Standard zählt dabei die Hausratversicherung. Sie greift, wenn ein Fahrrad aus einem verschlossenen Raum gestohlen wird. Wer einen Zusatzbaustein wie den Allianz Fahrradschutz dazu abschließt, versichert sein Rad auch gegen Diebstahl im Freien. »Wir empfehlen die Zusatzklausel, weil sehr viel mehr Räder auf offener Straße gestohlen werden als bei einem Einbruch«, erklärt Dunja Brockmann von der Allianz Versicherungs-AG. Für sehr hochwertige Fahrräder kann der Allianz Gegenstandsschutz die bessere Wahl sein. Hier können nicht nur die Versicherungssumme, bis zu der das Zweirad abgesichert ist, selbst festgelegt, sondern auch Risiken wie die Beschädigung durch einen Unfall eingeschlossen werden. Für teure Räder lohnt sich zudem eine individuelle Beratung.

Vor allem im Freien sei es wichtig, sein Gefährt nicht nur ab-, sondern auch anzuschließen. Und zwar an einem fest verankerten Gegenstand wie einem Fahrradständer, Laternenpfahl oder Zaun (siehe auch linkes Klappmenü: Sieben Tipps für mehr Sicherheit). Genauso ratsam ist die Verwendung eines hochwertigen Schlosses, wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) auf seiner Website empfiehlt. »Ein gutes Exemplar kostet ab 50 Euro«, sagt Technikexperte René Filippek vom ADFC. »Es sollte aus gehärtetem Stahl bestehen und im besten Fall einen Drehscheibenzylinder zur Verriegelung haben.« (Siehe linkes Klappmenü: Wie sicher sind Fahrradschlösser?) Wer besonders viel Geld in sein Fahrrad investiert hat, sollte die Anschaffung von zwei unterschiedlichen Schlosstypen erwägen, da sich Fahrraddiebe oft auf eine Bauart spezialisieren.

 

Wie sich GPS-Tracker zur Abschreckung eignen

Darüber hinaus kann ein GPS-Tracker zur Ortung gestohlener Räder nützlich sein. Akkubetriebene Modelle sind zum Beispiel im Rücklicht oder Rahmenschloss integriert, andere im Lenker, im Steuerrohr oder in der Sattelstütze versteckt. Einige Fahrradhersteller rüsten ihre Räder bereits ab Werk mit solchen Trackern aus und bieten deren Funktionen gegen Aufpreis an. Mehr als 200 Euro können die Tracker kosten, plus die anfallenden Servicegebühren von rund sechs Euro monatlich. Günstig ist das nicht. 

Doch trotz der hohen Preise etabliert sich die Technik langsam auch unter Radlerinnen und Radlern. Denn allein schon zur Abschreckung können GPS-Systeme helfen. Dies nennt auch das Bundeskriminalamt in seiner aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) als einen möglichen Grund, warum die Zahl der gestohlenen Räder in den vergangenen Jahren trotz des Rad-Booms recht konstant blieb. Für 2024 verzeichnet die PKS 245.868 entwendete Fahrräder in Deutschland – verglichen mit dem Vorjahr sogar ein leichter Rückgang um rund sieben Prozent.   

Eine Garantie, sein gestohlenes Rad wiederzufinden, geben die Positionssensoren aber keinesfalls. Wird das Rad zum Beispiel schnell ins Ausland geschafft, ist man auf die Kooperation mit den dortigen Behörden angewiesen. Und die Ortung in Innenräumen ist oft ungenau. Steht das Diebesgut womöglich lange in einem Keller, kann sich der Akku des Trackers entladen und man hat keine Chance mehr, sein Rad zu finden. »Außerdem gibt es heute Diebe, die mit Detektoren prüfen können, ob ein Rad mit GPS ausgestattet ist«, erklärt Hauptkommissar Beyer, »und dann den Tracker einfach entfernen.«

E-Bike oder Pedelec – das große Missverständnis

Insofern ist ein gutes Schloss nach wie vor unverzichtbar. Sonst greift auch kein Versicherungsschutz. Hierbei ist zu beachten, dass sich nicht alle neuen Mode-Vehikel über die erwähnte Hausratpolice absichern lassen. E-Bikes oder S-Pedelecs etwa gelten rechtlich als Mofas oder Kleinkrafträder und brauchen eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Zur besseren Einordnung: E-Bikes sind offiziell Zweiräder, die auch ohne Muskelkraft fahren, wenn der Elektroantrieb zugeschaltet ist. Dagegen versteht der Gesetzgeber unter dem gebräuchlichen Begriff »E-Bike« ein sogenanntes Pedelec, kurz für »Pedal Electric Cycle«. Pedelecs sind Fahrräder mit Motorunterstützung. Sie fahren aber nur, wenn der Radler auch in die Pedale tritt. S-Pedelecs funktionieren wie Pedelecs, werden aber bis zu 45 km/h schnell (siehe Tabelle unten).

Chaos der Begriffe: Die Übersicht zeigt, was mit welchem Zweirad erlaubt ist und wie sich laut offizieller Definition E-Bikes von Pedelecs unterscheiden. Quelle: Lucky Bike

Die beliebten E-Scooter zählen ebenso zu den Elektro-Kleinstfahrzeugen und benötigen eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Laut GDV haben 2023 rund 990.000 E-Scooter im Verkehr mitgemischt. Das sind fast 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Zugenommen hat vor allem die Anzahl privater Scooter: Sie ist um 37 Prozent auf 780.000 gestiegen, während die Zahl der Leihroller nur um neun Prozent auf rund 210.000 Stück wuchs. Auch wenn sich mancher Städter von kreuz und quer geparkten Leihrollern gestört fühlen mag: Mit rund 79 Prozent ist das Gros der E-Scooter tatsächlich in privatem Besitz. 

Steigende Zahl der Unfälle mit E-Scootern

Mit dem Boom der Elektroroller spielen leider auch Unfälle eine wachsende Rolle. Im Jahr 2024 hat ihre Zahl 12.027 betragen – ein Anstieg um 26 Prozent im Vergleich zu 2023, wie das Statistische Bundesamt meldet. Eine besondere Gefahr geht dabei von Fahrerinnen und Fahrern mit Leih-Scootern aus. Das beweist zumindest eine aktuelle GDV-Studie. »Sie sind meist jünger, weniger geübt und fahren gern auf dem Gehweg, obwohl das genau verboten ist«, so Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer im GDV. Auch Kollisionen mit Pedelecs passieren immer häufiger. Im vergangenen Jahr waren es 27.312. Drei Jahre zuvor rund 50 Prozent weniger. Auch hier sind die Verursacher nicht, wie so oft vermutet, Seniorinnen und Senioren. Laut Statistischem Bundesamt stieg der Anteil der jüngeren mit dem Pedelec Verunglückten: 2014 war jeder neunte von ihnen unter 45 Jahre, 2023 bereits fast jeder dritte.  

Die Gefahren beim E-Bike-Fahren

Warum die elektrischen Zweiräder mehr und mehr verunfallen, dafür gibt es mehrere Gründe. »Natürlich steigt mit dem Boom der elektrischen Räder auch die Zahl der Unfälle«, erklärt Zeidler. Außerdem unterschätzen viele Nutzerinnen und Nutzer das höhere Gewicht und die starke Beschleunigung. Mit einem schweren Bike kann man nicht so leicht spontan ausweichen. Die Gefahr, ins Strudeln zu kommen oder zu stürzen sei höher als bei einem leichteren Fahrrad, das man schneller wieder in den Griff bekomme. »Am besten macht man sich vor der ersten Ausfahrt mit dem Antriebs- und Bremsverhalten vertraut«, empfiehlt Zeidler.

Auf dem persönlichen Risikoradar sollte man aber auch die anderen Verkehrsteilnehmenden haben. Zum Beispiel Autofahrende und Fußgängerinnen und Fußgänger. Sie unterschätzten nämlich oft das hohe Tempo von Pedelecs. »Autofahrer assoziieren mit dem Anblick eines Radlers häufig keine hohen Geschwindigkeiten«, warnt Zeidler. Viele seien dann überrascht, wie schnell etwa eine Seniorin auf dem Pedelec heranbraust, wenn man rechts abbiegen möchte. Umso wichtiger sei deswegen vorausschauendes und umsichtiges Fahren – seitens aller Beteiligten. Besonders achtsam sollte man sich an Kreuzungen, Einmündungen sowie Ein-und Ausfahrten verhalten. Hier passieren zufolge der Unfallforschung der Versicherer UDV die meisten Rad-Kollisionen. 

Radwege am Limit

Zudem begünstigt die veraltete Radinfrastruktur die Unfallgefahr. »Radwege werden in den vergangenen Jahren viel stärker frequentiert, sind aber nicht in gleichem Maße mitgewachsen«, bemerkt Zeidler. Oft seien ältere Wege uneben, für Autofahrende schlecht einsehbar, kurvig und vor allem zu schmal. Laut Straßenverkehrsordnung sollte die Breite in einer Richtung heute möglichst zwei Meter betragen. Aber in zahlreichen Städten schlängeln sich stellenweise noch Radwege mit nur 60 Zentimetern. Bei solchen Engstellen fühlen sich die meisten Menschen besonders unsicher – ob Radler und Radlerinnen oder Autofahrende. Das belegt eine repräsentative Umfrage der Allianz unter Verkehrsteilnehmenden anlässlich des 12. Autotages 2024. Die Situation, in der sich die Befragten am extremsten gefährdet fühlen sind »enge Straßen, Engstellen und Baustellen« – noch vor Schnellstraßen und dem berüchtigten toten Winkel beim Abbiegen.  

Doch das Problem mit der Infrastruktur wird sich auf absehbare Zeit nicht so schnell lösen lassen. Da heißt es: öfter mal cruisen statt rasen und vor allem: Helm tragen – egal ob E-Scooter oder Pedelec. Erfreulicherweise beherzigen das heute immer mehr Menschen. 2023 trugen 44 Prozent aller Radfahrerinnen und Radfahrer einen Kopfschutz, wie eine Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen ergab. Zugegeben: Es könnten mehr sein. Aber wenn man bedenkt, dass sich vor 15 Jahren gerade einmal neun Prozent »oben mit« auf ihr Rad schwangen, sind wir auf dem richtigen Weg.

Text: Sonja Hoogendoorn

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