27.04.2023

Ziemlich beste Feinde: Rechtsstreit unter Nachbarn

Sie sprühen heimlich Gift oder schießen mit Luftgewehren auf Spielzeugdrohnen. Sechs verflixte Streitfälle aus der Nachbarschaft – aus den Akten der Allianz Rechtsschutzversicherung

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Fall 1 – Ein brauner Rasen

Manchmal braucht es Jahre, bis kleine Sticheleien eskalieren. Mal liegt eine Bananenschale wie zufällig im Garten, dann welkt überraschend ein gestern noch blühender Strauch. Ob es der Mann von nebenan war? Beweisen lässt es sich nicht. Immer wieder hat jemand Bioabfälle über die Hecke geworfen. Aber wer hat die Pflanzen vergiftet, die ihre Köpfe hängen lassen? Zur Rede gestellt, streitet der Verdächtige alles ab. Seltsamerweise erwischt es am nächsten Tag den Rasen, der morgens noch grün war und schon am Abend braun dahinsiecht. Der Geschädigte, der tagsüber arbeitet, installiert eine Kamera, die seinen Garten während seiner Abwesenheit überwacht. Damit überführt er den Täter in flagranti. Die Aufnahmen zeigen den Nachbarn, wie er am helllichten Tag in Schutzkleidung im fremden Garten ein Herbizid versprüht. Mit den Beweisen und der Unterstützung eines Rechtsanwalts konnte der Nachbar zur Unterlassung bewegt werden. 

Fall 2 – Der nackte Gartenzwerg

Wäre es keine wahre Geschichte, könnte man sie als Märchen erzählen. Es waren einmal zwei Herren im stattlichen Rentenalter, die Haus an Haus in einem ruhigen Vorort lebten. Der eine hatte eine Leidenschaft für ausgefallene Gartenzwerge, der andere für wild wuchernde Sträucher und Bäume, die er mit Vorliebe direkt an der Grundstücksgrenze pflanzte. Einen Rückschnitt verweigerte der Pflanzenfreund, wodurch sich der Wichtelbesitzer eingeengt fühlte, vor allem, weil seiner Ansicht nach durch die Verschattung sein Lieblingsgartenzwerg nicht mehr zur Geltung käme. Dieser präsentierte splitterfasernackt sein bestes Stück in Richtung des Nachbarn. Was der nicht lustig fand. Der Streit wegen Belästigung ging vor Gericht. Ein weiser Richter regte einen salomonischen Vergleich an: Wenn der eine seinen Gartenzwerg nicht mehr zur Schau stellt, verpflichtet sich der andere dazu, seine Bäume und Hecken zu beschneiden. Klingt wie ein Happy End? Fast. Wieder zu Hause tauschte der Mann den Lieblingszwerg aus – gegen einen mit nacktem Hintern. In welche Richtung der wohl zeigt? Und wenn sie nicht gestorben sind, streiten sie noch heute. 

Fall 3 – Feindlicher Flieger

Samstagnachmittag, die Sonne scheint. Alles könnte so friedlich im eigenen Garten sein. Wäre da nicht dieses leise Brummen, das an Hornissen erinnert. Der Sohn von nebenan hat neuerdings eine Drohne. Die Mutter hat versprochen, dass das nervige Ding nicht während der Mittagsruhe fliegen wird. Die Nachbarn haben verständnisvoll gelächelt, man ist ja kein Unmensch, der Kleine will ja nur spielen. Wenig später ist es vorbei mit der Idylle, als die Drohne in den angrenzenden Garten eindringt, eine Runde über den Kaffeetisch dreht und mit laufender Kamera die Hausherrin im Bikini auf dem Liegestuhl filmt. Ein Versehen, sorry, entschuldigt sich der kleine Pilot. Doch sein Flieger verirrt sich regelmäßig in den fremden Luftraum und interessanterweise immer dann, wenn die Nachbarn sonnenbaden. Nachdem mehrere Ermahnungen nichts nützen, legt sich der Hausherr auf die Lauer und schießt den schwebenden Spion mit dem Luftgewehr ab. Der Vater des Jungen verlangt Schadenersatz, der Schütze pocht auf seine Privatsphäre. Das Gericht lehnt den Anspruch auf eine Entschädigung ab. Ähnlich wie bei der Notwehr dürfen Personen, deren Rechte durch illegal filmende Drohnen verletzt werden, den Störenfried unschädlich machen. Doch auch gegen Drohnen darf nicht vorschnell Selbstjustiz verübt werden. Der Betroffene hätte die Polizei rufen können, um seine Rechte zu schützen. Der Streit endet mit einem Vergleich.

Fall 4 – Wenn Schafe Glocken tragen

Ein krähender Hahn am Morgen ist noch das geringste Übel, wenn nebenan ein Nachbar wohnt, der zur Frühstückszeit mit Kettensägen hantiert und dessen frei laufende Viecher Tag und Nacht randalieren. Der Leidgeprüfte will doch nur in Ruhe leben und zieht vor Gericht. Er verlangt, dass die durch den Nachbarn gehaltenen Schafe, Hühner und Truthähne sowie sein Hund in den gesetzlichen Ruhezeiten endlich schweigen. Kein Blöken, kein Bellen, kein Kikeriki mit einer Geräuschentwicklung von mehr als 50 Dezibel am Tag und 30 Dezibel bei Nacht sollen den Nachbarn mehr stören. Neben dem Lärm nervt auch der Geruch. Der Nachbar verlangt, den Stall gegen Schall und Gestank zu isolieren. Und er will einen Zaun, der ihn endlich vor pickenden Hühnern schützt. Vor Gericht sehen sich die menschlichen Streithammel wieder. Sämtliche Tiere kommen nachts in einen lärmgedämpften Stall. Der Hund darf nur noch zu bestimmten Zeiten aufs Grundstück. Außerdem ist es untersagt, morgens Kettensägen, Kreissägen, Laubsauger und Freischneider zu benutzen. Über ein Detail freut sich das Lärmopfer am meisten: Auch die Schafe müssen ihre Glocken ablegen. 

Fall 5 – Das stinkt zum Himmel

Nachbar A und Nachbar B haben sich noch nie riechen können. Trotzdem leben sie in friedlicher Koexistenz dicht an dicht, nur von einer Thujenhecke getrennt. Wenn der eine dem anderen mal im Vorgarten begegnet, tut jeder so, als wäre der andere Luft. Eines Tages ist es damit vorbei. Nachbar B sitzt auf der Terrasse und will gerade herzhaft in ein Stück Kuchen beißen, als ein stechender Geruch in seine Nase steigt. Der üble Gestank weht vom Komposthaufen herüber, den Nachbar A nicht weit entfernt am Zaun aufgestellt hat. In den Tagen darauf nimmt die olfaktorische Attacke bestialische Ausmaße an und B kann seine Terrasse nicht mehr nutzen. Warum A das gemacht hat, weiß der vermutlich selbst nicht. Darum! Das ist das Unheimliche an solchen Konflikten: Es geschieht ohne Grund. Was folgt, ist der Klassiker des Nachbarschaftsstreits. Weil die eine Seite nicht bereit ist, Abhilfe zu schaffen, verklagt die andere Seite Nachbar A auf Entfernung des stinkenden Haufens. Das Gericht entscheidet, dass der Kompost wegkommt und weiter entfernt von der Terrasse errichtet werden muss. 

Fall 6 – Die Natur der Wiese

Es ist ein beinah schon philosophischer Streit. Auf der einen Seite des Gartenzauns die reine Lehre von der unberührten Natur, auf der anderen Seite das vom Menschen kompromisslos kultivierte Grün. Für den Nachbarn A ist der unkrautfreie Golfrasen das höchste der Gefühle, während Nachbar B stolz auf seine blühende Sommerblumenwiese ist, die er nur zweimal im Jahr mäht. Ungehindert verbreiten sich die Samen, besonders wenn die Kinder Pusteblume spielen. Der Streit eskaliert. Nachbar A verlangt die Abschaffung der wilden Wiese und verklagt den Naturfreund. Das Gericht sieht das anders und verneint einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB.


Text
  Michael Cornelius
Foto  iStock/woody

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