Ein gelbes Auto. Wenn’s denn so einfach wäre. Aber weder das menschliche Auge noch die Autoindustrie noch die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden lassen derlei Simplizität zu. So gab Volkswagen für den 2019 erschienenen neuen Golf VIII schon fünf Jahre vorher eine ganz neue Farbe in Auftrag. Und »neu« heißt tatsächlich: bisher so noch nie da gewesen. Wie soll das gehen?, fragt sich der Laie, es gibt halt Schwarz, Weiß, Silber, Rot, Blau, Gelb, Grün und noch ein paar andere Farben. Der Experte aber, in diesem Fall heißt er Thomas Behl, lächelt da nur gelangweilt. Und weist darauf hin, dass das menschliche Auge »mehrere Millionen Farbtöne unterscheiden kann«. Und das macht es interessant für die Lackprofis des Allianz Zentrum für Technik (AZT) in Ismaning.
51 Jahre AZT
1971
Professor Max Danner eröffnet das neue Institut für Kraftfahrzeugtechnik in Ismaning
1973
Die Entwicklung des Lackkalkulationssystems beginnt
1982
Dank Crash-Reparaturtests kann erstmalig die Unfallreparatur wissenschaftlich untersucht werden
1989
Wie sich Beschleunigungen auf die Halswirbel auswirken, testet das AZT Team in Autoscootern auf dem Münchner Oktoberfest
2019
Das AZT entwickelt einen internationalen Standard für virtuelle Fahrzeugschlüssel
Thomas Behl ist Leiter der Reparaturtechnik im AZT. Er tröstet Unwissende zudem gern und sagt: »Auch bei mir hat es einige Jahre gedauert, bis ich die Unterschiede gesehen habe.« Denn Lackschäden sind zwar oft in der Wahrnehmung hintangestellt, machen aber im Schnitt ein gutes Viertel der gesamten Reparaturkosten bei Kraftfahrzeugen aus. Und um die überschaubar zu halten, wurde 1971 das AZT gegründet. Einerseits. Vor allem aber natürlich, um das Fahren sicherer zu machen. Das war damals dringend geboten, als sich immer mehr Menschen in der Bundesrepublik ein Auto leisten konnten und die Zahl der Verkehrstoten immer höher wurde. 1970 starben 21.332 Personen im Straßenverkehr – ein
Rekordwert, der seither nie mehr erreicht wurde. Auch dank der Arbeit des AZT.
»Nicht mal die Hersteller können exakt sagen, welchen Farbton ein Fahrzeug hat«
Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer AZT
Die Sicherheit von Menschen ist aber eben nur ein Teil. »Auf der anderen Seite ging es von Anfang darum: Was kann man in Sachen Kosten tun?«, sagt Christoph Lauterwasser, der Geschäftsführer des AZT. Schließlich sind in Deutschland fast neun Millionen Fahrzeuge bei der Allianz versichert. Und fast 50 Prozent aller Schäden sind Bagatellschäden – Kratzer im Lack oder Dellen, die beim Rangieren oder bei leichtem Aufprall passieren.
Um nun Versicherungsbeiträge adäquat zu berechnen und im Schadenfall nicht übervorteilt zu werden, muss man wissen, was so eine Lackreparatur kosten sollte. Und das ist der Job von Thomas Behl und seinem Kollegen Kuddusi Yilmaz, einem der AZT Experten für Fahrzeuglackierung. Ihr ganzer Stolz ist die 1978 erstmals veröffentlichte AZT Lackkalkulation, damals noch per Rechenschieber und auf Papierbögen ermittelt. »Die Hersteller hatten bis dahin eigene Berechnungen, was es sowohl den freien Betrieben als auch den Sachverständigen sehr schwer machte«, erzählt Behl. Also begab sich das AZT daran und setzte ein universelles System auf. »Schließlich ist es egal, ob es die Motorhaube eines Mercedes oder eines Honda ist, beim Lackieren kommt es allein auf die Fläche an«, sagt Behl. Mittlerweile sind rund 4500 Fahrzeuge in der Datenbank, für jede Art von Lackreparatur kennen die AZT Experten den angebrachten Kostenrahmen. Muss Kunststoff oder Metall lackiert werden? Werden Einzelteile wie etwa die Tür ausgebaut und am Ständer lackiert – oder direkt am Fahrzeug? Handelt es sich gar um aufwendige Metallic-, Pearl- oder Sondereffekt-Lackierungen?
»Eine halbe Million unterschiedlicher Farbtöne sind wohl im Umlauf«
Thomas Behl, Leiter der Reparaturtechnik
Deshalb befassen sich Behl und Yilmaz auch zu einem beträchtlichen Teil mit der schwierigen Prozedur der Farbtonfindung. Erstaunlicherweise können nicht mal Autokonzerne exakt sagen, welchen Farbton ein Auto hat. Die Lackierung hängt immer vom Hersteller des verwendeten Lacks und dessen Zulieferer ab. Auch wo lackiert wird, von wem, letztlich auch bei welchem Wetter – bei dampfender Schwüle oder eisiger, trockener Kälte. Selbst ein einzelnes Neufahrzeug ist nicht immer wirklich einheitlich lackiert, weiß der Experte: »Der Stoßfänger passt oft gar nicht zum Rest – wenn man ganz genau hinsieht.« Was nur kaum jemand tut. Eine halbe Million unterschiedliche Farbtöne sind wohl im Umlauf, schätzt Behl, in den Datenbanken der Lackhersteller etwa 200.000 abrufbar.
Den exakten Farbton eines Fahrzeugs herauszufinden, ist auch ein Kostenfaktor. Gelingt es nicht, muss man die angrenzenden Teile beilackieren, und das wirkt sich auf die Lackierkosten aus. Dabei setzt ein Profi wie Kuddusi Yilmaz auf sein digitales Farbtonmessgerät, das er in drei verschiedenen Winkeln ansetzt, immer in der Nähe des Schadens. Mit den ermittelten Daten kann der Computer das ideale Mischungsverhältnis berechnen. Denn auf seiner Mischbank hat Yilmaz lediglich 85 Kanisterchen mit Basislacken stehen. Aus denen kann er bis zu einer halben Million Farbtöne mischen. Ob die Mischung dann aber auch wirklich passt, das sagt ihm kein Computer. »Das menschliche Auge ist durch nichts zu ersetzen«, sagt Yilmaz. Nachdem die Farbe in der benötigten Menge gemischt ist, wird genau erfasst, wie lange es dauert, das beschädigte Teil zu lackieren – für die AZT Kalkulation wird das in mehr als 80 mögliche Arbeitsschritte auf geteilt. Die sind manchmal selbst für kleinere Lackierarbeiten nötig. »Vor der sichtbaren Decklackierung sind viele weitere Schritte notwendig: Untergrundvorbereitung, also schleifen, reinigen, maskieren, dann der Korrosionsschutz. Nichts davon kann man auslassen«, sagt Yilmaz. So entsteht eine sichere Kalkulation für alle Betroffenen: »Es wird wirklich jeder Schnipsel Klebeband erfasst«, sagt Behl.
Ab zur Allianz Kfz-Versicherung
Kein Auto ist wie dein Auto. Der ausgezeichnete Schutz der Allianz Autoversicherung kann dank individueller Bausteine noch erweitert werden. Drei Beispiele:
1. Premium-Schutzbrief: Damit sind Versicherte schnell wieder mobil. Sollte der Pannendienst das Fahrzeug nicht sofort reparieren können, ist die Weiterfahrt per Taxi oder mit dem Mietwagen gesichert.
2. WerkstattBonus: Diese Zusatzleistung im Rahmen einer Kaskoversicherung beinhaltet einen Hol- und Bringservice des Fahrzeugs zur Partnerwerkstatt, ein Ersatzfahrzeug sowie die Übernahme der Schadenabwicklung. Zudem profitiert der Versicherte bei Abschluss von 20 Prozent Nachlass auf den Kaskobeitrag.
3. Rabattschutz: Wer diesen Baustein wählt, behält seine Schadenfreiheitsklasse auch nach einem Haftpflicht- oder Vollkaskoschaden. Die Zusatzleistung gilt für je einen Schadenfall im Versicherungsjahr.
Im Falle des Golf VIII wurde das Limonengelb zur Leitfarbe, das heißt, das Automobil wurde in der Werbung und auf Präsentationen bevorzugt in diesem Ton gezeigt. Und Behl und Yilmaz mussten sich an die Arbeit machen. Was ist das für ein Farbton? Wie mischt man ihn? Wie lässt er sich auftragen? Und: Wie teuer ist das? Denn was die Werbung nicht zeigt: Kurz nachdem die Fahrzeuge ausgeliefert wurden, standen die ersten auch schon zerbeult und zerkratzt in Werkstätten und Lackierbetrieben.
Die Mühe lohnt sich. Mittlerweile verwendet nicht nur die Allianz das System, es ist als Lizenzprodukt in mehr als 40 Ländern verbreitet, darunter Südkorea, Australien oder Südafrika. Auch Sachverständige und andere Versicherer sowie Kfz-Reparaturbetriebe nutzen es eifrig.
Aber nicht nur neue Farbtöne wie das Limonengelb beschäftigen das AZT. Auch technisch passiert auf der Außenhaut des Fahrzeugs eine ganze Menge. Dass immer mehr Sensoren verbaut werden, wirkt sich natürlich auf den Lack aus, schließlich darf die Lackschicht nicht zu dick werden, damit die Sensoren ungestört funktionieren. Da geht es um Bruchteile von Millimetern, und manch ein Autokonzern verfügte gar, dass Stoßfänger gar nicht mehr lackiert werden sollen. Das behagt Behl und seinem Team natürlich nicht, denn dann würden viele Reparaturen um ein Vielfaches teurer. Also suchen sie wieder Lösungen und sprechen mit den Fahrzeugfirmen.
»Lack ist ein emotionales Thema«
Christoph Lauterwasser
Auch sonst könnte die Zukunft Spannendes bringen. Kuddusi Yilmaz weiß von einem Lack, der dafür sorgt, dass sich die Oberfläche nicht zu sehr aufheizt, was wiederum die Klimaanlage und letztlich die Umwelt entlastet. Oder es könnte »intelligente« Lacke geben, die kleine Kratzer selbst reparieren, Strom erzeugen oder sich selbst reinigen können. Mittels Sensoren auf Bauteilen und Kameras könnte man womöglich auch Berührungen registrieren und so Fahrerflüchtige ermitteln. Aber: »Was in vier oder fünf Jahren auf den Markt kommt, ist für unsere Kalkulation noch nicht relevant«, sagt Lauterwasser.
Was immer relevant ist: die Zufriedenheit der Fahrzeugbesitzerinnen und -besitzer, die nach einem Unfall entweder selbst nicht Unsummen bezahlen müssen oder ihre Versicherung nicht zu sehr belasten wollen, schließlich geht es immer auch um die Beiträge. »Ob ein Kunde findet, dass eine Reparatur gelungen ist, hängt immer am Lack«, sagt AZT Geschäftsführer Lauterwasser. Denn das sei ja das Einzige, was man von der Reparatur sehe und beurteilen könne: »Lack ist ein emotionales Thema.«
Text Detlef Dreßlein
Fotos Manuel Nieberle, Allianz