11.02.2021

Impact Investing: So hilft die Allianz beim Scampi-Fangen

Überfischung gefährdet unsere Ozeane. Eine britische Firma hält mit LED-Licht dagegen. Möglich ist das durch nachhaltig angelegtes Kapital, auch der Allianz. Eine 1890-digital-Reportage mit Bildern von der rauen See – und blauen Hoffnungsschimmern im Fischernetz 

Es ist der perfekte Tag für einen guten Fang. Nach einer Woche schweren Wetters ist das Meer vor der schottischen Westküste ruhig, das Wasser schimmert einladend grünlich. Die Crew an Bord der Eilidh Anne bereitet die Ausrüstung vor, dann gibt es erst mal eine Tasse Kaffee. Die Seemöwen kreisen schon erwartungsvoll über dem Boot. Gegen halb sieben Uhr morgens läuft die Eilidh aus, und schon bald kreuzt das Zehn-Meter-Boot zwischen den Inseln vor Largs, knapp 50 Kilometer von Glasgow entfernt.

Tom Rossiter beugt sich über das Netz und befestigt mehrere gelbe Plastikscheinwerfer an der Öffnung und den Maschen. An diesem Tag steht Kaisergranat auf dem Fangzettel, unter Gourmets eher als Scampi bekannt. Um zu verhindern, dass Flossenfische mitgefischt werden, stellt Rossiter die LED-Lichter auf eine kalte bläuliche Wellenlänge ein. Das soll die Tiere, die bereits im Netz sind, beruhigen und ihnen einen sicheren Weg nach draußen weisen. An der Öffnung des Netzes blinken die Lichter dagegen grün, was eine abschreckende Wirkung auf die Fische hat. Das Lichtspiel unter Wasser verfolgt einen sehr konkreten Zweck. Rossiter ist Mitarbeiter der britischen Firma SafetyNet Technologies. Die von dem Unternehmen entwickelten LED-Geräte sollen Fischern dabei helfen, den Beifang zu reduzieren. Dazu zählen all jene Tiere, die nicht das Ziel des Fangs waren – zum Beispiel Jungfische oder auch Meeressäuger wie Delfine oder Wale. Denn sie werden meist tot oder sterbend zurück ins Meer geworfen.

Studien zufolge landen jährlich rund zehn Millionen Tonnen Meerestiere als Beifang in den Netzen der Fischerei-Industrie – nicht nur eine Umweltsünde, sondern auch unnötige Kapitalvernichtung. Die Ozeane unserer Erde sind nicht nur ein gigantischer Lebensraum. Sie sind auch eine natürliche Ressource, deren Wert von einer WWF-Studie auf mehr als 24 Billionen US-Dollar hochgerechnet wurde. Einer Studie der Weltbank zufolge kostet schlechtes Fischerei-Management die Weltwirtschaft jährlich bis zu 50 Milliarden US-Dollar.

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Es gibt also durchaus Optimierungspotenzial – und auch eine Menge Umwelt-Start-ups und Nachhaltigkeitsprojekte mit Kapitalbedarf. Zugleich wächst das Anlegerinteresse. Eine immer größere Rolle spielt in diesem Zusammenhang »Impact Investing«. Bei diesen Investitionen stehen neben der Rendite auch die ökologischen und sozialen Effekte im Vordergrund. Stark vereinfacht bedeutet das: Gutes tun und dabei Geld verdienen. »Impact Investing ist ein neuer Aspekt, den wir bei unserer Kapitalanlagestrategie berücksichtigen«, sagt Gabriele Recke, Leiterin Nachhaltigkeit bei Allianz Leben. Ohnehin werden bei allen Investments, die die Allianz für ihre Kunden tätigt, die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) geprüft. Das heißt, die Allianz ermittelt vor einer Investition, wie die jeweiligen Unternehmen oder Projekte in den Bereichen Umweltschutz, soziale Fragen und Unternehmensführung aufgestellt sind. »Ein Investment hat immer auch Einfluss auf die Umwelt und auf die Gesellschaft«, erklärt Gabriele Recke. »Dieser Einfluss, also was in der Realwirtschaft bewirkt wird, lässt sich bei Impact Investments konkret messen und steuern. So können negative Auswirkungen minimiert und positive gefördert werden.«

Nach Ansicht von Gabriele Recke wird das Interesse an nachhaltigen Anlagen in Zukunft stark zunehmen. Nicht nur, weil die Regulierungsbehörden die Richtung hin zu mehr Klima- und Umweltschutz klar vorgeben, sondern auch, weil sich die Anleger ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zunehmend bewusst werden. »Es geht um das Zusammenspiel von realwirtschaftlichen Auswirkungen und finanziellem Return«, erklärt Gabriele Recke. »Investiert ein Unternehmen beispielsweise in Kohle – einen aussterbenden Industriezweig –, ist dies auf lange Sicht auch ein finanzielles Risiko. Deshalb ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor im Rahmen einer vorausschauenden Investmentstrategie.« Mit anderen Worten: Ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit gehören fest zusammen.

»Man muss die Probleme dort angehen, wo sie entstehen«

Simon Dent, Gründer des Sustainable Ocean Fund

»Eine Herausforderung beim Impact Investing ist es, Kenngrößen zu identifizieren, anhand derer der positive Effekt messbar gemacht werden kann«, sagt Recke. Wie viele Quadratmeter Regenwald oder Korallenriff wurden geschützt? Wie viele CO2-Emissionen vermieden? Einheitliche internationale Standards dafür sind derzeit noch in der Entwicklung. Weil auch die Allianz mit dieser Art des Investierens Erfahrungen sammeln und positive realwirtschaftliche Auswirkungen erzielen will, arbeitet sie verstärkt mit Impact-Asset-Managern zusammen – wie etwa Mirova, die den Sustainable Ocean Fund verantwortet.

Nach einer Stunde im Wasser holt man auf der Eilidh Anne in der Bucht von Largs das Netz wieder an Bord. Tom Rossiter schaltet die LED-Lichter aus. Bei SafetyNet Technologies arbeitet man eng mit den Fischern zusammen, um ihre Bedürfnisse kennenzulernen und um Verständnis zu werben. Auch bei Ian Wightman, dem Skipper, musste Tom Rossiter zunächst ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten. Wightman fährt seit Jahrzehnten jeden Tag aufs Meer, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Zunächst war er skeptisch, als er Rossiter dabei beobachtete, wie er mit seinen Netzen hantierte. Licht und Fische? Was für eine seltsame Idee. Und überhaupt: elektrische Geräte ins Wasser lassen? Das passt doch überhaupt nicht zusammen.

Ein gutes Team: Ian Wightman (l.) und Tom Rossiter (r.) auf hoher See

Aber SafetyNet Technologies hat einige gute Argumente für seine Innovation: Studien zufolge lässt sich der Beifang durch den Einsatz der Netz-LEDs um bis zu 90 Prozent reduzieren. Denn je nach Spezies wirkt unterschiedlich gefärbtes Licht entweder abschreckend, anziehend oder auch gar nicht. Die Lichter halten Fische also davon ab, ins Netz zu gehen. Oder im Gegenteil: Sie locken sie an. So kann der Fischer besser planen, je nachdem, ob er gerade Schellfisch oder Scholle aus dem Wasser ziehen will, und kann dementsprechend die Fangquoten besser einhalten und damit empfindliche Strafen vermeiden. Es ist also nicht nur im Sinne des Umweltschutzes, wenn die Fischer kontrollieren können, was sie da eigentlich aus dem Wasser ziehen, sondern auch in ihrem eigenen.

»Man muss die Probleme dort angehen, wo sie entstehen«, sagt Simon Dent. Er leitet den Sustainable Ocean Fund, der vor zwei Jahren startete und inzwischen ein Volumen von mehr als 130 Millionen US-Dollar hat. Rund um den Globus investiert der Fonds in mehr als ein halbes Dutzend Projekte und Start-ups, die sich Themen wie Ozeankonservierung, Abfallrecycling, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Fischerei verschrieben haben. Die meisten dieser Projekte befinden sich in Entwicklungs- und Schwellenländern. »Dort ist die Regulierung oft gering«, erklärt Dent. SafetyNet Technologies mit Sitz in London ist eher die Ausnahme.

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Wieder öffnet sich das Netz in den schottischen Gewässern, und eine Flut von Krebstieren breitet sich auf dem Schiffsdeck aus. Beifang ist kaum darunter, die LED-Geräte funktionieren. Dabei begann die Idee sehr klein, mit einem Universitätsprojekt. Später kam Crowdfunding hinzu: Private Investoren, die über das Internet von dem Projekt erfahren haben, gaben also kleinste Summen, um die erste Ladung LED-Geräte zu ermöglichen. Mit den zusätzlichen Investments will man jetzt nicht nur neue Märkte erobern, sondern auch neue Produkte entwickeln.

SafetyNet arbeitet etwa an Sensoren und Kameras, die an die Netze montiert werden und den Fischern ein Livebild aus dem Wasser liefern. Denn obwohl sie einen Großteil ihres Berufslebens auf dem Wasser zubringen, wissen die Fischer doch nicht, was unterhalb des Meeresspiegels passiert. »Jedes Mal, wenn die Kräne das Netz aus dem Wasser hieven, öffnet sich ein Los, das darüber entscheidet, ob es ein guter oder ein schlechter Tag war«, sagt Tom Rossiter, »das ist die Schönheit des Fischens.« In Zukunft können sie noch genauer sehen, was in den Tiefen vor sich geht und ihre Ausrüstung dementsprechend anpassen. Die Technik verspricht mehr Losglück für die Fischer – und somit auch mehr Schutz für die Umwelt.

Zur Person

Simon Dent ist Gründer des Sustainable Ocean Fund. 

»Jetzt kommt die Blue Economy«

Simon Dent ist Gründer des Sustainable Ocean Fund. Im Interview erklärt er, nach welchen Kriterien er nachhaltige Investments auswählt.

Mr. Dent, wie erklären Sie Ihren Anlegern, woran Sie arbeiten? Einfach gesagt investieren wir in Unternehmen, die eine positive Wirkung auf das Ökosystem Ozean haben. Bislang konnten wir etwa 130 Millionen US-Dollar beschaffen, ein Teil des Kapitals stammt auch von der Allianz.

Wie wählen Sie die zu fördernden Projekte und Unternehmen aus? Wir arbeiten hauptsächlich in drei Feldern: nachhaltige Fischerei, Kreislaufwirtschaft sowie grüner Tourismus und Konservierung der Ökosysteme. Unsere Geschäftspartner sind beispielsweise Start-ups, Universitätsausgründungen, aber auch etablierte Unternehmen aus der Fischerei-Industrie. Neben einem validen Businessplan wird immer auch geprüft, welche positiven Auswirkungen das Geschäft auf die Umwelt hat. Es ergibt keinen Sinn, ein nachhaltiges Business zu gründen, wenn man rote Zahlen schreibt. Dann ist die Geschäftsidee auch nicht nachhaltig. Es geht also um die Balance zwischen positiven ökonomischen wie auch ökologischen Auswirkungen.

Sind das nicht widersprüchliche Ziele? Wir glauben, dass ein realistisches Projekt auch in der Lage ist, eine gute Rendite zu erzielen.

In welche Unternehmen investieren Sie neben SafetyNet Technologies noch? In Indien investieren wir zum Beispiel in »Plastic for Change«. Das Fair-Trade-Unternehmen recycelt mehr als 24 000 Tonnen Plastik pro Jahr. Oder »Next Protein«: Das Unternehmen mit Sitz in Tunesien stellt Fischfutter aus Insekten her. Eine nachhaltige Methode, um den steigenden Bedarf der Aquakulturen an Fischfutter zu stillen.

Sie haben den Fonds im Jahr 2018 aufgesetzt – wie hat sich Impact Investing seitdem gewandelt? Bisher wurde das volle wirtschaftliche Potenzial der Ozeane, im Vergleich zu anderen ökologischen Geschäftsfeldern, nicht voll ausgeschöpft. Dabei hat das Meer einen ökologischen und ökonomischen Wert, der auch heute noch unterschätzt wird. Ich glaube, wir befinden uns in einer Phase, in der die Blue Economy erst richtig in Fahrt kommen wird. Mit der Unterstützung durch die Allianz wird sich diese Entwicklung noch beschleunigen.

Text    Michael Moorstedt
Fotos  Antony Sojka, privat

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