03.03.2025

»Unsere Erfolgsquote liegt bei über 80 Prozent«

Ob Nachbarschaftszoff oder Disput zwischen Unternehmern – Mediation kann Konflikte oft besser lösen als ein Gang vor Gericht. Wie das geht, erklärt Philipp Eder, Geschäftsführer des Allianz Rechtsschutz-Services.

Zur Person

Porträt Philipp Eder

Philipp Eder (geb. 1975) ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Mediator. Zudem hat er einen Master in Ökonomie und Management. Seit sieben Jahren arbeitet er als Geschäftsführer der Allianz Rechtsschutz-Service GmbH. Darüber hinaus beschäftigt er sich seit zwei Jahren intensiv mit KI und deren Einsatzmöglichkeiten sowie Auswirkungen. Außerdem ist Eder gefragter Speaker und Autor für Fachpublikationen.

Mediation kurz erklärt

Mediation ist ein Verfahren der Konfliktlösung, bei dem eine neutrale Person (Mediator) zwischen den streitenden Personen vermittelt. Der Mediator greift dabei nicht in den Entscheidungsprozess ein, sondern unterstützt beide Parteien in der Lösungsfindung und fördert dabei das gegenseitige Verständnis. Voraussetzung für den Erfolg ist deswegen auch die aktive Mitarbeit der Konfliktparteien. Ziel ist es, dass die Beteiligten ihren Konflikt einvernehmlich beilegen. Am Ende soll eine faire Lösung herauskommen, mit der alle zufrieden sind.

Herr Eder, stimmt es, dass Mediation gerade wieder boomt? 
Wenn man Mediation weiter gefasst versteht, ja. Viele Techniken, die in der Mediation zur Anwendung kommen, werden vermehrt in Konfliktlösungsmodellen eingesetzt, die schnelle außergerichtliche Lösungen zum Ziel haben. Es gibt immer mehr Menschen, die sich bei Streitigkeiten lieber ohne Einschaltung eines Gerichts einigen möchten. 

Warum?
Eines der größten Probleme ist die Langwierigkeit von Gerichtsverfahren. Die Gerichte sind aufgrund komplexer Verfahren zunehmend überlastet. Im Durchschnitt muss man mit einer Verfahrensdauer von circa eineinhalb Jahren rechnen, bis ein Zivilprozess einschließlich vorgerichtlicher Phase in der ersten Instanz abgeschlossen wird. Der Ausgang eines Verfahrens ist zudem weit ungewisser als viele vermuten, weil man viele Hürden bis zu einem vollständigen Obsiegen überwinden muss. Das gelingt nur in rund zehn Prozent der Klagen, wenn man im Bereich der zivilgerichtlichen Streitigkeiten bleibt. In den restlichen Verfahren vergleichen sich die Parteien, oder es unterliegt die Klagepartei.

Aber ist der Ausgang einer Mediation gewisser?
Nein. Aber es wird viel schneller eine Lösung gefunden, die auch weitläufig die Interessen der Streitparteien berücksichtigt. Wenn das Ergebnis für die Beteiligten nicht akzeptabel ist, bleibt immer noch der Weg über die Gerichte. Das gibt Sicherheit, einen Einigungsversuch zu wagen. Unsere Erfolgsquote, also die einvernehmliche Einigung, liegt bei Mediationen oder Verfahren, die sich mediativer Elemente bedienen, bei rund 80 Prozent. Oft dauert es bis zur finalen Lösung der Streitigkeit nur wenige Tage. Auch die Zufriedenheit ist nach Abschluss der Streitigkeiten meist sehr hoch. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen sind mit der Einigung zufrieden.

Wie kommt es zu diesen tollen Zahlen?
Weil die Mediation alle Aspekte eines Konflikts mit einbezieht und die Betroffenen selbst die Einigung herbeiführen. Das führt am Ende zu viel nachhaltigeren Ergebnissen. Ich erinnere mich an den Fall zweier Brüder, die sich als Miteigentümer eines Mietshauses zerstritten hatten. Der eine managte die Verwaltung. Er hatte eine teure Heizungsanlage einbauen lassen, da die alte Anlage defekt war. Der andere Bruder sah keine Notwendigkeit für diese hohe Investition und wollte das Haus verkaufen. Er drohte mit einer Klage, weil der Einbau ohne sein Einverständnis geschehen war.

Und der Konflikt konnte dank Mediation geklärt werden?
Ja. Dem Streit lagen viele unterschwellige Konfliktthemen zugrunde. Derjenige, der den Einbau veranlasst hatte, störte sich schon seit Langem daran, dass sich sein Bruder nicht um das Mietshaus kümmerte. Der andere wiederum unterstellte seinem Bruder Unfähigkeit, das Haus richtig zu verwalten. In der Mediation konnten wir die Themen herausarbeiten, die zu einer Verhärtung der Fronten geführt hatten. Diese zusätzlichen Dimensionen des Konflikts bleiben vor Gericht außen vor. 

Und es kam zur Einigung?
Ja. Die Brüder erkannten die Interessen und Bedürfnisse des jeweils anderen. In Zusammenarbeit mit Steuerberatern und auf Mietrecht spezialisierten Anwälten konnten wir außerdem die Unterlagen für das Mietshaus prüfen. Wir haben so belegen können, dass die Verwaltung ordnungsgemäß war. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass der Einbau der neuen Heizungsanlage keine Fehlinvestition war und das Haus langfristige Renditen versprach. Beide Brüder einigten sich darauf, das Haus weiter zu behalten und sich die Verwaltung besser aufzuteilen, wofür eine konkrete und verbindliche Vereinbarung getroffen wurde.

»Viele Menschen wissen nicht, wie sie einen Streit konstruktiv lösen können.«

Philipp Eder, Mediator

Das klingt, als ob Mediatorinnen und Mediatoren auch psychologisches Wissen haben sollten.
Psychologische Kenntnisse gehören zur Ausbildung dazu. Es geht vor allem um die kluge Moderation der Kommunikation und die methodisch sichere Führung durch den Konflikt. Denn viele Menschen wissen nicht, wie sie einen Streit konstruktiv lösen können. Alle Beteiligten müssen sich hier auf eine Lernreise begeben und gehen oft auch persönlich gestärkt aus dem Verfahren. 

Wie moderiert man klug?
Für mich steht als Mediator immer der Mensch im Mittelpunkt. Dabei ist das Wichtigste: Man muss sehr gut zuhören. Das allein hilft schon, dass Menschen sich ihren Frust von der Seele reden und die Dinge gelassener sehen. Dafür bietet der Mediator einen geschützten Raum. Als Mediator sollte man im Gespräch zwischen den Parteien darauf achten, dass keiner den anderen mit vorwurfsvollen Du-Botschaften beschuldigt.

Sondern?
Lieber in der Ich-Form die eigenen Eindrücke schildern und Wünsche äußern. Um beim Beispiel der Brüder zu bleiben: Der Bruder, der sich um die Hausverwaltung kümmert, sollte nicht sagen: »Du warst faul und hast dich nie ums Haus gekümmert, weil du ein egoistischer, verwöhnter Mensch bist.« Sondern lieber: »Ich hatte das Gefühl, dass ich die weit überwiegende Last trage. Deswegen habe ich mich allein gelassen gefühlt. Ich würde mich freuen, wenn du mir in Zukunft mehr bei der Hausverwaltung helfen könntest.«

Das klingt tatsächlich viel freundlicher.
Und der große Vorteil dabei ist: Die Parteien finden so meist selbst eine Einigung, anstatt eine Entscheidung durch Dritte auferlegt zu bekommen. Das ist auch der große Unterschied zwischen einem Gerichtsverfahren und einer Mediation: Ein Richter oder Schiedsrichter fällt ein Urteil. Ein Mediator bietet lediglich den Rahmen, in dem die Konfliktparteien eigenständig eine Lösung erarbeiten. Sie werden von ihm befähigt, diese nachhaltig zu akzeptieren.

»Wer einmal eine positive Erfahrung mit Mediation gemacht hat, kann auch in Zukunft Streitigkeiten besser lösen.«

Philipp Eder, Mediator

Welche Vorteile bietet eine Mediation noch?
Aus Versicherungssicht kann ich natürlich sagen, dass jede erfolgreiche Mediation auch Kosten vermeidet. Das bedeutet auch, dass die Beiträge für die Rechtsschutzversicherung im Sinne der Versichertengemeinschaft bezahlbar bleiben. Gerade aktuell werden die Gebührensätze der Vergütungsgesetze für Anwalts- und Gerichtskosten schon wieder erhöht. Das hält Betroffene ohne Rechtsschutzversicherung zunehmend von der Rechtsverfolgung ab. 

Zudem trägt Mediation dazu bei, dass Gerichte nicht weiter überlastet werden. Und einen wichtigen Vorteil sehe ich für die Gesellschaft. Mediation macht Menschen konfliktfähiger. Wer einmal eine positive Erfahrung mit Mediation gemacht hat, kann auch in Zukunft Streitigkeiten besser lösen. Gerade in der heutigen Zeit aggressiver Debatten und zunehmender Kompromisslosigkeiten ist das eine wertvolle Fähigkeit.

Wie genau funktioniert die Mediation für die Kundinnen und Kunden der Allianz?
Wer bei uns eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte sich im Konfliktfall zunächst an unsere Beratungshotline wenden. Wir klären gemeinsam, welches Vorgehen sinnvoll ist. Viele Streitigkeiten lassen sich hervorragend durch Mediation oder ähnliche Verfahren lösen. Zum Beispiel Streit zwischen Nachbarn, Familienangehörigen, mit Handwerkern, im Arbeitsrecht oder in Mietsachen.

Arbeiten Sie dabei nur mit Mediatorinnen und Mediatoren zusammen, die auch eine juristische Ausbildung haben?
Überwiegend. Aber wir verfügen auch über ein Netzwerk aus Mediatorinnen und Mediatoren aus anderen Berufsfeldern, die wir vermitteln können. Wenn ein Mediator etwa in einem Streit über Handwerkerleistungen eigene Sachkunde einbringen kann, hilft das auf dem Weg zur Lösung manchmal mehr, als wenn sich »nur« ein Anwalt einbringt. Wurde das Dach korrekt gedeckt oder die Küche richtig eingebaut? Rechtliche Informiertheit ist dann wichtiger Bestandteil, wenn zum Beispiel Fristen einzuhalten sind. Wenn notwendig, wird in diesen Fällen rechtliche Expertise auch durch den Mediator angefordert.

Lässt sich Mediation auch in Unternehmen anwenden?
Definitiv! Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen geht es bei Streitigkeiten oft auch um Beziehungen und deren Fortbestand. Wenn ein Betrieb rund um seinen Pachtvertrag Streit hat oder wichtige wirtschaftliche Beziehungen zerbrechen könnten, wäre das fatal. Eine schnelle, konstruktive Regelung mit Rettung der Beziehung stiftet hier regelmäßig ganz besonderen Mehrwert. Gerade weil unternehmerische Vernunft ja gegen Streit um des Streits willen spricht und die Faktoren Zeit und Rechtssicherheit für Kaufleute letztlich immer eine große Rolle spielen.

Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Erfahrung nennen?
Ein Handwerksbetrieb hatte Streit mit einem Lieferanten über nicht erfüllte Leistungen. Statt eine langwierige juristische Auseinandersetzung zu beginnen, wurde in einer Mediation klar: Der Lieferant hatte aufgrund unzureichender Kommunikation eine andere Leistung erbracht als erwartet. Durch gezielte Verhandlungen konnte eine günstige Nachbesserung erreicht werden – ein teurer Prozess wurde vermieden, und die Zusammenarbeit blieb bestehen.

Text Sonja Hoogendorn
Illustration iStock/sabelskaya

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