Auf Social Media begegnen sie uns täglich: Superfoods, die unsere Gesundheit verbessern sollen. Doch was steckt hinter dem Hype? Welche der vermeintlichen Wundermittel halten, was sie versprechen? Wir haben mit Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski sechs Gesundheitstrends unter die Lupe genommen.
Zurück zu den Wurzeln
»Ob als Knolle oder Stange: Sellerie gilt zu Recht als besonders gesundes Gemüse«, so Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski. Die Staude punktet mit vielen Vitaminen, Enzymen und Mineralien. Sie enthält Vitamin K, C und A sowie Kalium und Kalzium. All das wirkt sich positiv auf Blutgerinnung, Knochenstoffwechsel und Blutzucker aus.
Grundsätzlich gilt jedoch: Je stärker verarbeitet ein Lebensmittel ist, desto mehr positive Wirkungen gehen verloren. So auch bei Selleriesaft. Durch das Auspressen der Staude bleiben sekundäre Pflanzen- und Ballaststoffe im Entsafter zurück. Daniela Kielkowski empfiehlt daher: »Um in vollem Umfang von den Nährstoffen profitieren zu können, sollte man das Gemüse am besten als Rohkost zu sich nehmen.«
Wer den Selleriegeschmack nicht mag, muss sich allerdings keine Sorgen um die Gesundheit machen: »Alles, was in der Staude steckt, lässt sich auch in anderen Lebensmitteln finden – etwa in vielen Gemüse- und Obstsorten, in Nüssen, Samen und Hülsenfrüchten. Täglich ein Glas Selleriesaft – wie es auf Social Media empfohlen wird – ist also kein Muss, aber durchaus gesund«, so die Ernährungsmedizinerin.
Trend zum Ferment
Das in osteuropäischen Ländern seit langer Zeit verbreitete Getränk geht aktuell bei uns auf Social Media viral. Brottrunk wird aus vergorenem Vollkornbrot hergestellt. Der Trank besteht also vor allem aus Weizen-, Roggen- und Hafermehl sowie Natursauerteig und wird durch Milchsäurebakterien fermentiert.
»Was hier besonders heraussticht, sind die vielen B-Vitamine. Brottrunk enthält Vitamin B3, das für die Reparatur unserer DNA wichtig ist. Außerdem B9, besser bekannt als Folsäure, die für die Zellteilung und den Aufbau neuer Zellen verantwortlich ist, sowie B12, das der Körper für die Blutbildung benötigt«, sagt Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski.
Aber Vorsicht: Da Brottrunk Gluten enthält, sollten Menschen mit Zöliakie die Finger davon lassen. Die gute Nachricht ist – auch für alle, die den Geschmack nicht mögen: Es gibt jede Menge Alternativen. Wer von der Wirkung fermentierter Lebensmittel profitieren will, kann zum Beispiel auf Kombucha, Kefir oder Sauerkrautsaft zurückgreifen.
Der Abnehm-Klassiker
»Apfelessig ist ein alter Hut, der immer wieder entstaubt wird«, so Daniela Kielkowski. Der Fruchtessig wird durch die Fermentation von Äpfeln hergestellt und enthält viele Mineralien wie Kalium, Magnesium, Kalzium und Phosphor.
Besonders gesund ist dabei die sogenannte Muttersubstanz. Damit gemeint ist der trübe Satz, der im Apfelessig schwimmt. Er besteht aus Enzymen, Proteinen und gesundheitsfördernden Bakterien. Nimmt man ihn regelmäßig zu sich, kann das die Verdauung fördern und den Blutzucker regulieren. »Wer allerdings bereits einen gesunden Insulinhaushalt hat, bei dem hält sich der positive Effekt in Grenzen«, erklärt Daniela Kielkowski.
Gleiches gilt für den Stoffwechsel. Apfelessig kann das Sättigungsgefühl regulieren und beim Abnehmen helfen. Allerdings klappt das nicht immer, weiß Daniela Kielkowski: »Wenn Menschen weniger essen, heißt das noch lange nicht, dass sie automatisch Gewicht verlieren. Im Gegenteil: Manche nehmen sogar zu, weil ihr Körper in den Sparmodus schaltet.« Apfelessig allein ist also keine Diät-Wunderwaffe.
Allrounder aus Fernost
Ingwer hat in der chinesischen und indischen Medizin eine lange Tradition und wird als natürliches Heilmittel verwendet. Aus gutem Grund. Denn: Die in Ingwer enthaltenen Stoffe Gingerol und Shogaol haben antientzündliche, durchblutungssteigernde und antioxidative Effekte. Zudem aktiviert die Schärfe im Ingwer die Wärme- und Hautrezeptoren. Das sorgt dafür, dass der Stoffwechsel angeregt und der Körper stärker durchblutet wird, was ihm hilft, Nährstoffe und Mineralien besser aufzunehmen.
Ähnlich wie bei Sellerie gilt aber auch bei Ingwer: je reiner, desto besser. Wer Ingwer-Shots im Supermarkt kauft, weiß nicht, was auf dem Weg ins Regal mit dem Produkt passiert ist – und damit auch nicht, ob die vielen Vitamine und Mineralien im Herstellungsprozess zerstört wurden. »Statt industriell hergestellte Ingwer-Shots zu kaufen, empfehle ich, auf frische Zutaten zurückzugreifen. Ingwer lässt sich super als Gewürz in Gerichte integrieren. Auch im Tee – zum Beispiel in Kombination mit Kurkuma und Orangen – macht sich die Wurzel gut«, so Daniela Kielkowski.
Auch wenn Ingwer viele gesundheitliche Vorteile hat, sollte man es nicht übertreiben. Zu viel davon kann zu Verdauungsstörungen führen. Außerdem kann die
Wurzel Wechselwirkungen mit Arzneimitteln haben – wie etwa mit Blutgerinnungshemmern, Diabetes- oder Herzmedikamenten. Bei Schwangeren kann zu viel Ingwer vorzeitig Wehen auslösen.
Runterkommen ohne Rausch
Cannabidiol (kurz: CBD) wird aus der Cannabispflanze gewonnen. Anders als THC – ebenfalls Bestandteil der Pflanze – ist CBD allerdings nicht psychoaktiv, das heißt, es hat keine berauschende Wirkung. Die beiden Wirkstoffe teilen sich aber durchaus eine Vielzahl ihrer Qualitäten. So hilft CBD durch seinen Einfluss auf die Serotoninrezeptoren im Gehirn bei Stress, Schmerzen und Schlafproblemen.
»Wer entsprechende Beschwerden hat, kann CBD heutzutage vom Arzt per Rezept verordnet bekommen. Der Vorteil bei CBD-Präparaten aus der Apotheke: Verbraucher:innen können sich sicher sein, dass die Wirkung überprüft wurde«, so Daniela Kielkowski. Anders sieht es bei frei verkäuflichen CBD-Produkten wie Gummibärchen, Schokolade oder Erfrischungsgetränken aus: »Davon rate ich grundsätzlich ab. Hier lässt sich nicht nachvollziehen, was im Produkt steckt. Es kann sowohl unter- als auch überdosiert sein. Der Hersteller übernimmt dafür keine Verantwortung.«
Wer CBD-Öl ausprobieren möchte, sollte sich unbedingt vorab genau informieren. »Man muss immer im Hinterkopf behalten: CBD ist kein wirkungsloser Stoff. Erwische ich unsaubere Präparate mit einem zu hohen THC-Anteil, kann das – gerade bei jungen Menschen, deren Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist – die Gesundheit langfristig beeinträchtigen.«
Das grüne Wunder
»Spirulina besteht zu 60 bis 70 Prozent aus Aminosäuren. Und diese sind ein wichtiges Baumaterial für unseren Körper – von Muskel- über Gewebezellen bis hin zu Hormonen«, erklärt Daniela Kielkowski. Die Blaualge hat aber noch mehr zu bieten: Sie enthält viele Antioxidantien und weist einen hohen Anteil an Betacarotin sowie die Vitamine A und E auf. Das in Spirulina enthaltene Chlorophyll bindet Abbauprodukte im Darm und hat somit eine entgiftende Wirkung.
Spirulina kommt als Nahrungsergänzungsmittel in unterschiedlicher Form – etwa als Tablette, Kapsel oder Pulver – auf den Markt. Die Expertin rät auch hier, sich vor dem Kauf gut zu informieren und auf die Produktqualität zu achten. Wer kein Fan von Nahrungsergänzungsmitteln ist, kann beruhigt sein: »Spirulina gehört nicht zum Pflichtprogramm einer gesunden Ernährung. Viele Bestandteile der Blaualge können wir auch durch andere Lebensmittel zu uns nehmen. Dazu zählen Blattgemüse wie Spinat, Grünkohl und Rucola oder Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen.«
Daniela Kielkowski, Jahrgang 1972, ist Ernährungsmedizinerin und Gründerin der Privatpraxis Körperkonzepte in Berlin. Bei der Beratung und Behandlung ihrer Patient:innen setzt sie auf einen ganzheitlichen Ansatz mit dem Stoffwechsel im Mittelpunkt. Darum dreht sich auch ihr aktuelles Buch »Die Stoffwechsel-Revolution – Abnehmen mit Kohlenhydraten«, das im April 2024 im Becker Joest Volk Verlag erschienen ist.
Fazit
Die hier vorgestellten Trend-Lebensmittel können einen Beitrag zu einem gesunden Lebensstil leisten. Aber sich allein auf ihre Wirkung zu verlassen, wäre falsch:
»Wer gesund leben will, muss sich ausgewogen ernähren. Und das geht weit über den Konsum einzelner Superfoods hinaus.«
Daniela Kielkowski
»Isst jemand überwiegend Fertigprodukte und Fastfood, richtet auch ein Glas Selleriesaft am Tag nicht viel aus. Wer gesund leben will, muss sich ausgewogen ernähren. Und das geht weit über den Konsum einzelner Superfoods hinaus«, so Daniela Kielkowski.
Grundsätzlich empfiehlt die Ernährungsmedizinerin: »Wenn wir Lebensmittel in ihrer natürlichen Form zu uns nehmen können, sollten wir das auch tun. Heißt: Lieber eine Selleriestange knabbern als Selleriesaft trinken. Lieber einen Tee mit frischem Ingwer zubereiten als einen Ingwer-Shot aus dem Supermarkt trinken.« Auch bei Lebensmitteltrends gilt also: Weniger ist manchmal mehr.
Disclaimer: Dieser Text ersetzt keinesfalls die fachliche Beratung durch Ärzt:innen oder Apotheker:innen, und er darf nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Therapie von Krankheiten verwendet werden. Konsultieren Sie bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer die Ärztin oder den Arzt Ihres Vertrauens.
Text Kyra Wappenschmidt
Bilder Midjourney / In A Nutshell