Sommerzeit gleich Einbruchszeit? Im Interview spricht Kriminalhauptkommissar Michael Rasp über diesen Mythos, wieso niemand vor Einbrechern sicher ist und welche präventiven Maßnahmen effektiven Schutz bieten
Zur Person
Polizeihauptkommissar Michael Rasp berät seit mehr als 20 Jahren Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen sowie Institutionen in München und Umgebung zum Thema Einbruchschutz. Davor absolvierte er seine Ausbildung bei der Bayerischen Polizei und arbeitete viele Jahre im uniformierten Streifendienst.
Herr Rasp, laut der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2023 bundesweit 77.819 Einbrüche. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von rund 18 Prozent. Wie erklären Sie sich diese Zunahme?Während der COVID-19-Pandemie gab es fast keine Einbrüche in Wohnbereichen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Menschen haben plötzlich viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht. Ein für die Einbrecher ungünstiger Fakt. Aber diese Zeiten sind vorbei, und die Zahlen pendeln sich leider wieder auf das Vor-Corona-Niveau ein.
Und wie nehmen Sie diese Entwicklung hier in München – der sichersten Großstadt Deutschlands – wahr?
Wir in der Präventionsarbeit betrachten solche Statistiken seit jeher kritisch. Ja, München ist nachgewiesenermaßen die sicherste Großstadt Deutschlands. Aber das hilft bzw. interessiert die Betroffenen nicht. Fakt ist: Auch hier, also in der Stadt und im Landkreis München, sind die Fallzahlen deutlich gestiegen – und in der Folge die Beratungsnachfragen auf unserer Seite. Entweder, weil sich die Menschen vor einem Einbruch fürchten. Oder, weil bei ihnen eingebrochen wurde.
Fehlt es den Menschen generell am Bewusstsein für diese Gefahr?
Leider ist das so. Klar liest oder hört man in den Nachrichten von irgendwelchen Einbruchserien. Aber viele denken sich: »Ich wohne seit 20 Jahren hier. Von solchen Vorfällen habe ich hier noch nie etwas mitbekommen. Und bei mir gibt es ohnehin nichts zu holen.« Das ist ein gefährlicher Trugschluss. Im Rahmen meiner Präventionsarbeit sage ich stets: Bei jedem gibt es etwas zu holen. Das kann ein bisschen Geld sein, ein bisschen Schmuck. Und genau das ist auch das klassische Beuteschema der Täter. Im Worst Case fehlen dann aber nicht nur 100 Euro, sondern – viel schlimmer – das Sicherheitsgefühl im eigenen Zuhause.
Sie sind seit mehr als 20 Jahren Experte in Sachen Einbrüche. Wenn Sie an Ihre Anfangszeit denken: Was hat sich im Vergleich zu heute verändert?
Nicht viel, um ehrlich zu sein. Auch damals gab es bereits massive Einbruchswellen. Mal gibt es in einem bestimmten Gebiet mehr Taten. Das hat zur Folge, dass die Menschen dort sensibler werden und die Streifentätigkeiten verstärkt werden. Die Täter wiederum bekommen das natürlich mit und verlagern ihrerseits ihr Einsatzgebiet. Es ist ein stetiges Auf und Ab.
Gibt es denn den typischen Einbrecher?
Ein Großteil der Einbrecher sind sogenannte Spontan- und Gelegenheitstäter. Wir zählen da sowohl Einzelpersonen als auch Banden aus dem In- und Ausland dazu. Sie haben in der Regel kein professionelles Werkzeug dabei. Vielleicht nur einen Schraubenzieher. Und die Tat muss schnell und einfach zum Erfolg führen. Wenn das nicht funktioniert, brechen die Täter ab oder gehen schnell zum nächsten Objekt weiter.
Umso wichtiger sind entsprechende Sicherheitsmaßnahmen.
Auf jeden Fall. Der erste und wichtigste Schritt ist die bauliche Absicherung. Also Fenster, Türen, Lichtschächte. Alles, was leicht zugänglich ist, sollte einen gewissen Widerstand bieten. Dann habe ich die besten Chancen, dass der Täter es nicht schafft und weiterzieht.
Bald sind Sommerferien, und viele Menschen fahren in den Urlaub. Ist dies die klassische Einbruchszeit?
Der allseits bekannte Spruch »Sommerzeit ist Einbruchszeit« ist ein Mythos. Im Sommer ist es lange hell. Die Menschen sitzen oft noch bis spät abends auf der Veranda oder im Garten. Das schreckt die Einbrecher oft eher ab. Bis vor einigen Jahren war die Herbst- und Winterzeit aufgrund der frühen Dunkelheit stark frequentiert. Aber seit einiger Zeit stellen wir fest, dass es mittlerweile keine klassische Einbruchszeit mehr gibt. Die Täter sind das ganze Jahr über im Einsatz.
Welche Maßnahmen sollten Hausbesitzer, Mieter & Co. treffen, um ihr Zuhause während des Urlaubs bestmöglich zu sichern?
Mechanische Sicherungen an Fenstern und Türen sind die Basis für ein solides Sicherungskonzept. Dieses kann durch entsprechende Alarmtechnik ergänzt werden. Und an dritter Stelle steht die Organisation. Generell gilt: Die Wohnung oder das Haus sollte trotz Abwesenheit bewohnt ausschauen.
Worauf sollte man hier achten?
Gerade zur Urlaubszeit sind dauerhaft geschlossene Rollläden natürlich ein deutliches Zeichen, dass niemand zu Hause ist. Das sollte man vermeiden. Gleiches gilt für einen Briefkasten, der überquillt. In diesen Fällen sollte man beispielsweise auf seine Nachbarn zurückgreifen, die die Rollläden verändern oder den Briefkasten regelmäßig leeren. Das sind so die klassischen Tipps. Technisch gibt es natürlich weitere Möglichkeiten, um den Eindruck eines bewohnten Hauses zu erzeugen. Zum Beispiel durch Zeitschaltuhren oder einen TV-Simulator.
Sind solche technischen Maßnahmen nicht auch ein erheblicher Kostenfaktor?
Hochwertige Alarmtechnik auf jeden Fall. Aber ich sage immer: Die Wohnung zuzusperren kostet nichts. Die Nachbarschaftshilfe auch nicht. Und Zeitschaltuhren & Co. sind mittlerweile auch erschwinglich.
Frau Mustermann postet während ihres Urlaubs Bilder vom Strand. Wie ist Ihre Meinung dazu?
(lacht) Dazu eine kurze Anekdote. Bei einem meiner Vorträge habe ich vor Kurzem darauf hingewiesen, dass es nicht gut ist, den Anrufbeantworter mit der eigenen Abwesenheit zu besprechen. Daraufhin gab es im Saal breites Schmunzeln. Und ich habe ergänzt: »Entschuldigung, ich meinte natürlich das Status-Update auf Social Media.« Aber im Ernst: Wenn ich der ganzen Welt mitteile, dass ich jetzt 14 Tage nicht erreichbar bin, kann das natürlich auch eine nützliche Information für etwaige Täter sein.
Mit dem Beratungsmobil »RoSi« wird bei Infoveranstaltungen oder bei einem persönlichen Beratungstermin vor Ort zusammen mit Interessierten eine nahezu passende Sicherheitslösung gefunden. Diese »Hilfeleistung« und das Feedback sind für Michael Rasp eine schöne Bestätigung vom Berufsbild des Polizeibeamten als »Freund und Helfer«.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Schwachstellen in Häusern und Wohnungen?
Das fängt bei geöffneten oder gekippten Fenstern an. Es geht weiter mit Leitern und Werkzeugen, die im Garten direkt ersichtlich sind. Und endet mit dem unter dem Blumentopf versteckten Schlüssel. Alles Schwachstellen, die man zwingend vermeiden sollte.
Und mit Blick auf entsprechende Versicherungen: Was passiert, wenn dies im Falle eines Einbruchs von der Polizei protokolliert wird?
Bei der Schadensregulierung werden die Versicherungen immer nach dem polizeilichen Aktenzeichen fragen und entsprechend Akteneinsicht nehmen.
Welche Empfehlungen haben Sie mit Blick auf Versicherungen noch?
Ich rate dazu, im Vorfeld eine Inventarliste zu erstellen. Also inklusive Beschreibung und Fotos der jeweiligen Wertgegenstände. Stichwort Hausratversicherung. Und für uns als Polizei sind diese Informationen natürlich mit Blick auf die Ermittlungen wichtig.
Gibt es eigentlich das perfekte Versteck?
Nein. Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass alles gefunden wird. Ob im Gefrierschrank, dem Spülkasten der Toilette oder im Revisionsschacht der Fußbodenheizung. Deswegen lautet unsere einzige Empfehlung: Wenn Sie etwas sicher verwahren wollen, dann holen Sie sich einen qualitativ hochwertigen und großen Tresor, der fest verankert werden kann. Oder verwahren Sie Ihre Wertgegenstände in einem Bankschließfach.
Die Digitalisierung und die moderne Technik haben ganz neue Perspektiven mit Blick auf Einbruchschutz eröffnet. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Wir haben hierzu eine klare Einstellung: Insgesamt begrüßen wir den technologischen Fortschritt. Aber es braucht eine klare Trennlinie zwischen Komfort und Sicherheit. Ein Beispiel sind entsprechende Smart-Home-Technologien, mit denen man bequem via App auf das Eigenheim zugreifen kann. Beispielsweise, um Rollläden zu steuern oder die Tür zu entriegeln. Diese Technologien bergen auch Risiken. Hacker könnten sich Zugang zu diesen Systemen verschaffen und so in das Haus eindringen. Deshalb ist es entscheidend, dass solche Systeme mit robusten Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet sind.
Familie Mustermann kommt aus dem Urlaub zurück und bemerkt, dass bei ihnen eingebrochen wurde. Was ist die richtige Verhaltensweise?
Sich nicht in Gefahr bringen. Heißt: Die Wohnung nicht betreten beziehungsweise sofort wieder verlassen. Der oder die Einbrecher könnten ja noch vor Ort sein. Dadurch bleiben auch die Spuren am Tatort erhalten. Im Anschluss direkt die 110 verständigen und beispielsweise bei einem Nachbarn auf das Eintreffen der Polizei warten.
Können Sie von einem besonderen Fall berichten, in dem präventive Maßnahmen einen Einbruch erfolgreich verhindert haben?
Natürlich gab es im Laufe der Jahre mehrere positive Rückmeldungen. Aber für uns in der Präventionsarbeit gestaltet es sich eher schwierig, unsere Tätigkeiten messbar zu machen. Deswegen verweise ich lieber auf die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik, die belegt, wie wirksam Präventionsmaßnahmen sind: 2023 blieben 46 Prozent der Einbruchsdelikte im Versuchsstadium stecken – Tendenz steigend. Über diese Entwicklung freuen wir uns sehr.
Welchen abschließenden Appell geben Sie unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg?
Nehmen Sie das kostenlose und bundesweite Beratungs- bzw. Präventionsangebot der Polizei wahr. Und falls möglich, tun Sie sich dabei mit Ihren Nachbarn zusammen. Wir kommen gerne zu Ihnen nach Hause und geben hilfreiche Tipps, wie Sie die eigenen vier Wände bestmöglich sichern können. Gemeinsam schauen wir uns das Wohnobjekt an, und dann erstelle ich einen Empfehlungsbogen. Mit diesem können Sie sich dann an entsprechende Fachfirmen wenden, um die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen.
Text Steffen Geggus
Fotos Lara Freiburger