21.06.2024

»Der Pannenstreifen ist nicht für Pausen geeignet«

Andreas Lukas und John Rathmann vom Malteser Hilfsdienst unterstützen auf ihren Motorrädern Polizei und Rettungsdienste im oberbayerischen Straßenverkehr. Im Interview erklären die beiden ehrenamtlichen Biker die größten Gefahren und wie Reisende sicherer ans Ziel kommen. 

Zur Person

Andreas Lukas, geb. 1976, arbeitete in seinem Zivildienst beim Technischen Hilfswerk, war für die Wasserwacht unterwegs und trat 2009 den Maltesern bei. Seit 2020 leitet er unter anderem die Motorradstaffel. Im Jahr 2023 arbeitete er 1800 Stunden ehrenamtlich für den Hilfsdienst, hauptberuflich ist er Industriemechaniker. Er lebt in Rosenheim und fährt auch privat gern Motorrad, am liebsten nach Kroatien.      

Zur Person

John Rathmann, geb. 1994, machte 2024 bei den Maltesern die Ausbildung zum First Responder. Er ist gelernter Hotelbetriebswirt und hat sich zum Ziel gesetzt, noch in diesem Jahr 700 Stunden ehrenamtlich beim Hilfsdienst zu leisten. Manchmal hilft er mit den Kolleg:innen auch auf Veranstaltungen aus und wettet dann mit ihnen, wie oft sie gefragt werden, wo sich die Toilette befindet. Das Wort »danke« und ein Lächeln sind für ihn der schönste Ausgleich für seinen Einsatz.  

Herr Lukas, Sie haben die Malteser-Motorradstaffel im Jahr 2020 gegründet. Warum?

Andreas Lukas: Ich arbeite ehrenamtlich, seit ich 13 Jahre alt bin. Inzwischen bin ich 48. Zu den Maltesern kam ich als Rettungshundeführer. Nachdem mein Hund gestorben war und die Hundestaffel aufgelöst wurde, startete ich mit zwei Maschinen und vier Fahrerinnen und Fahrern die Motorradstaffel. Wir verstärken den Rettungsdienst in Rosenheim, etwa zu den verkehrsreichsten Zeiten zu Ferienbeginn. Mit dem Motorrad sind wir einfach schneller als klassische Rettungsfahrzeuge. Das spart im Ernstfall viel Zeit.

Wie kann der Ernstfall aussehen? 

Andreas Lukas: Heute Vormittag kontaktierte die Leitstelle der Polizei meinen Kollegen John Rathmann und mich per Funk. Ein Lkw-Fahrer, der scheinbar weder Deutsch noch Englisch sprach, hatte sich per Notruf gemeldet. Es war unklar, ob er einen Unfall hatte, ob er medizinische Hilfe brauchte oder wo genau er mit seinem Fahrzeug überhaupt stand, »irgendwo auf der A93«, hieß es. Wir fuhren hin, um nachzusehen, was Sache ist – mit Martinshorn und Blaulicht. 

War es ein Notfall?

John Rathmann: Zum Glück nicht. Der Lkw hatte eine Reifenpanne, der polnische Fahrer hatte den Wagen auf dem Standstreifen bereits gesichert. Gesundheitlich ging es ihm gut. Wir gaben der Polizei Bescheid, bei welchem Autobahnkilometer das Fahrzeug sich befand – und meldeten, dass kein medizinischer Notfall vorliegt. Diese erste Sichtung durch uns spart Polizei und Rettungsdiensten Ressourcen. 

Ist das ein typischer Einsatz für die Motorradstaffel?

Andreas Lukas: Das kann man so sagen. Wir stoppen oft bei Fahrzeugen, die liegen geblieben sind, oder treffen Menschen an, die einen leichteren Verkehrsunfall hatten, zum Beispiel einen Auffahrunfall. Wir bieten ihnen Unterstützung an. Bei kleineren Pannen zeigen wir ihnen den Weg zur nächsten Werkstatt oder Raststätte, leiten die Personen an den Abschleppdienst weiter oder übernehmen auch mal ein Telefonat, wenn jemand kein Handy besitzt. 

Welcher Art sind die Pannen? Ließen sie sich vermeiden?

John Rathmann: Da ist entweder ein Reifen platt oder der Tank leer oder es handelt sich um einen Motorschaden. Eine Panne kann einem den Urlaub komplett vermiesen, daher rate ich jedem zu einer umfassenden Kontrolle vor dem Start in die Ferien: unbedingt den Reifendruck prüfen, ausreichend tanken, Wischwasser nachfüllen und Bremsflüssigkeit checken. Wenn da etwas nicht stimmt, passieren Unfälle. Oder das Auto bleibt liegen. Auch dann ist der Urlaub gelaufen. Meiner Erfahrung nach kontrolliert kaum jemand diese Dinge, aber man packt ja auch seinen Koffer und schaut, ob man alles dabei hat. Hier hilft das Wort Wolke: Wasser, Öl, Luft und Elektrik.

Andreas Lukas: Wer mit dem Wohnanhänger unterwegs ist, muss auf die richtige Beladung achten, das Gepäck muss an die Gewichtsklasse angepasst sein. Und das Ladungsverhältnis muss stimmen, damit der Anhänger nicht ins Ungleichgewicht gerät. Oft sind die Leute jahrelang nicht mehr mit ihrem Fahrzeug in der Werkstatt beim Service gewesen.

»Die häufigsten Unfallursachen sind Ablenkung und Übermüdung«

Andreas Lukas, Leiter der Malteser-Motorradstaffel

Was können Fahrerinnen und Fahrer unterwegs besser machen?

Andreas Lukas: Die häufigsten Unfallursachen sind Ablenkung und Übermüdung. Manche Autofahrerinnen und Autofahrer haben während der Fahrt das Handy am Ohr und in der Hand. Besser wäre es, eine Freisprechanlage zu nutzen oder mit dem Telefonat bis zum nächsten Halt zu warten. Viele Leute wollen bis auf die Tankstopps ohne Pause bis zum Ziel durchfahren. Da rate ich, sich lieber zwei Stunden mehr Zeit zu nehmen, Pausen zu machen oder sich am Steuer abzuwechseln, wenn das geht. Unfälle durch übermüdete oder abgelenkte Menschen gehen meist nicht so glimpflich aus wie eine Autopanne. Es kann sein, dass es zu einem Totalschaden beim Auto kommt – oder der Rettungsdienst sich um Schwerverletzte kümmern muss. Zum Glück habe ich das noch nicht so oft erlebt.

Sie sind beide ausgebildete Sanitäter. Wie helfen Sie Verletzten?  

John Rathmann: Wenn es Verletzte gibt, rufen wir sofort Hilfe. Wir können hier nicht viel tun, da wir keine Medikamente verabreichen dürfen – das dürfen nur die speziell ausgebildeten Notfallsanitäter und Notärzte vom Rettungsdienst. Außerdem hat auf den Motorrädern kein Sauerstoffgerät Platz. Wenn wir sehen, dass jemand auffällig fährt, schlingert oder aus der Spur gerät, kann das ein Hinweis auf Kreislaufprobleme sein. Diesen Leuten bieten wir unsere Hilfe an und fragen, ob es ihnen gut geht. Auch Parkplätze kontrollieren wir bei jeder Schicht, fahren im Schritttempo durch und schauen, ob jemand Hilfe benötigt. Da werden wir dann manchmal angesprochen (oder die Betroffenen machen sich bemerkbar) und gebeten, Blutdruck oder Blutzucker zu messen. Auch hier kann man nur betonen, wie wichtig es ist, eine Pause einzulegen, wenn man sich schlapp fühlt. Manche trinken morgens nur eine Tasse Kaffee und essen die ganze Fahrt über nichts. Das kann gefährlich werden.

An welchen Einsatz erinnern Sie sich bisher besonders deutlich?

Andreas Lukas: Wir hatten auf der A8 / A93 im Inntaldreieck vier Autos auf dem Standstreifen entdeckt und fragten nach, ob die Personen Hilfe bräuchten. Sie sagten nein, sie würden sich nur verabschieden, da eine Hälfte ihrer Gruppe Richtung Salzburg und die andere nach Italien führe. Und das mitten auf diesem extrem verkehrsreichen Autobahnabschnitt. Da fehlten mir erst mal die Worte. Der Pannenstreifen ist fürs Verabschieden, Pinkeln oder Navi-Checken nicht geeignet. Das geht nur auf dem Parkplatz! Auch so lassen sich Unfälle vermeiden. 

Eine Frage für Motorradfans: Mit welchen Maschinen sind Sie unterwegs?

Andreas Lukas: John fährt eine Moto Guzzi V85 TT, ich eine Aprilia Caponord 1200, die der Malteser-Motorradstaffel gespendet wurde. Wir haben die Aprilia selbst umgebaut, mit Martinshorn, vier Blaulichtern vorne und einem ausziehbaren Mast hinter dem Sattel versehen. Angefangen haben wir deutlich bescheidener, mit einer alten, schweren BMW R 1100 RT und einer Hercules 125 ccm aus dem Jahr 1979, die bei den Maltesern als Kuriermaschine genutzt wurde, bevor es das Internet gab.   

Herr Rathmann, Sie sind erst seit drei Monaten im Team von Herrn Lukas. Hat dieses Engagement Zukunft?

John Rathmann: Definitiv. Ich bin dafür, dass sich mehr junge Menschen engagieren sollten für die Verkehrssicherheit und im Rettungsdienst. Irgendwann kann es jedem passieren, dass er Hilfe braucht. Durch meine eigenen Erfahrungen weiß ich, dass ich mich auf die Leute vom Hilfsdienst verlassen kann – auch wenn ich selbst irgendwann mal nicht mehr fit bin. Die ehrenamtliche Arbeit wird zwar nicht bezahlt, dafür bekomme ich sehr viel zurück: etwa die Ausbildung zum Rettungssanitäter und zum Ersthelfer sowie einen Helferführerschein (C1) für große Einsatzfahrzeuge. Es sind diese Sachgüter, die Erfahrung und die Dankbarkeit der Menschen, von denen man ein Leben lang etwas hat.

Text Sandra Michel
Video Erik Schütz

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