Thomas Bieber ist Notfallsanitäter an Bord der »Bibby WaveMaster Horizon«. Er kümmert sich um Unfälle aller Art – von der Schnittwunde am Finger, den seelischen Wehwehchen bis hin zu schweren Verletzungen
Zur Person
Thomas Bieber ist Notfallsanitäter bei der Johanniter-Unfall-Hilfe mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Für den Offshore-Einsatz ist er durch eine dreijährige Zusatzausbildung besonders gut qualifiziert. Diese beinhaltet etwa ein ausführliches Kletter-Sicherheitstraining, die sogenannte Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen.
»Das Schlimmste, was ich auf hoher See erlebt habe? Dazu meine Gegenfrage: Kennen Sie die britische Komikergruppe Monty Python? In deren Film >Der Sinn des Lebens< gab es mal diese Restaurantszene, wo am Ende alle Gäste vor Übelkeit spucken mussten. So ähnlich hab ich das mal an Bord erlebt. Plötzlich kam ein Dutzend Techniker kurz nacheinander zu mir ins Krankenzimmer gestürmt, weil ihnen schlecht war. Alle seekrank. Für mich als Sanitäter war das zwar recht einfach zu behandeln – es gibt gute Medikamente dagegen. Allerdings machen diese auch sehr müde. Arbeiten darf man dann nicht mehr. Aber das war wirklich eine Ausnahme. Normalerweise haben Crew und Techniker robuste Mägen – auch bei Zehn-Meter-Wellen, die hier auf dem Meer öfter vorkommen.
Schwere Unfälle sind heutzutage dank der immer höheren Sicherheitsstandards wirklich selten geworden. Außerdem hat jede und jeder an Bord das Recht, die Arbeit einzustellen, wenn sie oder er sich unsicher fühlt.
»Die goldene Regel heißt immer: Safety First. Keiner wird bei Sturm mit dem Säbel über die Gangway-Planke getrieben.«
Womit ich allerdings öfter zu tun habe, sind seelische Wehwehchen. Irgendwie erzählen mir die Leute gerne von ihren kleinen und großen Sorgen. Manchen überkommt dann doch so eine Art Lagerkoller nach 14 Tagen auf dem Schiff, weit weg von zu Hause. Das Vertrauen ehrt mich natürlich. Mit der Zeit hat man die Gelegenheit, alle Menschen an Bord näher kennenzulernen. Das ist der große Unterschied zur bodengebundenen Notfallrettung, wo man Patient:innen nur kurz betreut. Deswegen braucht man hier neben der beruflichen Qualifikation immer auch eine große Portion Lebenserfahrung, soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen.
Trotz allem bin ich von meinem Arbeitgeber, der Johanniter-Unfall-Hilfe, natürlich für den echten Notfall ausgebildet – viel weitreichender als ein Sanitäter an Land. Ich habe zum Beispiel ein Kletter-Sicherheitstraining absolviert, die sogenannte Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen (SRHT). Damit kann ich mich etwa direkt zum Verletzten auf das Windrad hochseilen und zusammen abseilen. Im Ernstfall muss ich den Patienten auch über längere Zeit selbstständig versorgen können. Denn wir sind mit dem Schiff oft zu weit von der Küste entfernt. Und ein Rettungshelikopter kann auch nicht bei jedem Wetter sofort zu uns fliegen und braucht oft eine Stunde, bis er bei uns ist. Da wäre ich im schlimmsten Fall sogar befugt, unter ärztlicher Anleitung per Videoschalte mit unserem telemedizinischen Zentrum an Land beispielsweise einen Herzinfarkt mit Medikamenten zu behandeln. Durch unsere diagnostischen Geräte kann ich hierfür die Vitalparameter eines Patienten in Echtzeit an die Zentrale und den Hubschrauber übermitteln. Dank der Digitalisierung sind unsere Einsätze viel effektiver geworden – fast genauso erfolgreich wie an Land.«
Auch diese Protagonist:innen haben ihren Teil dazu beigetragen, dass ein Megaprojekt wie He Dreiht gelingen kann:
Text Sonja Hoogendoorn
Fotos Florian Manz