28.06.2023

Atemlos durch die Nacht

Helene Fischer verletzte sich auf der Bühne in Hannover, die Fans mussten nach Hause gehen. Bekommen sie ihr Eintrittsgeld zurück? Und wer bezahlt den Schaden? Allianz Experte Bastian Widdermann weiß, welche Risiken bei großen Events zum Showstopper werden – und welche Versicherungen schützen.

Zur Person

Bastian Widdermann, Jahrgang 1974, ist Lead Underwriter Entertainment bei der Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) und seit 2018 im Unternehmen. Er studierte Versicherungswesen und schrieb seine Diplomarbeit über Filmversicherung.

Es war ein Schock – für Helene Fischer und ihre Fans: Nachdem sich die Sängerin bei einem Konzert am 18. Juni in Hannover im Gesicht verletzt hatte, musste sie im Krankenhaus behandelt werden. Die Veranstaltung wurde abgebrochen – nach weniger als einer Stunde. Für etwa 14.000 Fans hieß das: nach Hause gehen oder auf der Straße weiterfeiern. Außer der Sorge um Helene Fischer, die zum Glück bald wieder genesen war, bewegte viele Zuschauer:innen die Frage: Bekomme ich das Eintrittsgeld zurück? Und wenn ja, von wem?   

Allianz Experte Bastian Widdermann kennt sich mit solchen Fällen aus: Er arbeitet für den Industrie- und Spezialversicherer Allianz Global Corporate & Specialty SE, kurz: AGCS. Dort ist Widdermann als Lead Underwriter Entertainment dafür zuständig, Versicherungslösungen für Filmproduktionen, Sportveranstaltungen und eben auch Konzerte zu erarbeiten. »Bei Großveranstaltungen geht es schnell um hohe Millionenbeträge, und es ist es üblich, dass sich mehrere Versicherer die Risiken teilen«, sagt Widdermann.

Fällt ein Konzert aus oder muss vorzeitig beendet werden, kann dies für Versicherer teuer werden. Spezialversicherer wie die AGCS ersetzen dem Veranstalter dann entgangene Einnahmen. So haben Fans in der Regel Anspruch darauf, den Ticketpreis vom Veranstalter zurückzubekommen. 

In vielen Fällen sei die AGCS der Hauptversicherer, sagt Widdermann: »Wir sind einer der Marktführer im Bereich Veranstaltungsausfall«. Unter anderem sind die Konzerte der Scorpions und mehr als 70 Festivals in Deutschland und Europa zu großen Teilen über die AGCS versichert. 

Große Konzerte, große Ausgaben: für Stadionmiete, Gastronomie und Gagen

Zu den möglichen Ursachen einer Konzertabsage gehören Rohrbruch und Feuer sowie Sicherungsmissstände im Bühnenbereich. Andere Risiken betreffen die Künstler:innen: Ob ein Bandmitglied einen Unfall hat oder erkrankt, bleibt im Ergebnis oft gleich. Das Event fällt aus, Einnahmen fehlen, aber die Ausgaben bleiben in der Regel – unter anderem für die Hallen- oder Stadionmiete, Waschhäuser, Dixi-Klos, Gastronomie-Dienstleister, VIP-Lounges, Werbung und Merchandise. Und gegebenenfalls auch die garantierten Künstlergagen.

Finger in Brandschutztür eingeklemmt: Unfall bei den Toten Hosen 2013 

Die AGCS kann Ausfallrisiken für den Veranstalter abfedern. Behandlungskosten oder finanzielle Unterstützung für die Künstler:innen selbst sind dagegen anders zu versichern. Wenn Campino von den Toten Hosen sich den Finger in einer Stahltür einklemmt und dabei einen Teil der Fingerkuppe verliert, wie es 2013 nach einem Konzert in Bielefeld geschah, oder Helene Fischer sich am Trapez eine Platzwunde zuzieht, haben Veranstaltungsversicherer damit nur indirekt zu tun: »Wir sind nicht der private Unfall- oder Krankenversicherer des Künstlers oder der Künstlerin, sondern der Partner des Veranstalters«, erklärt Widdermann. 

Credit: imago/Star-Media_
Bühne frei: Bei einer Großveranstaltung muss möglichst alles glattgehen

Terror, Pietät: Für Konzertabbrüche gibt es viele Gründe

Tragisch ist es, wenn ein Konzert wegen eines Todesfalls nicht stattfinden kann. »Das passiert sehr selten, aber vergangenes Jahr musste ein Konzert in Berlin abgesagt werden, weil einer der Musiker kurz davor verstorben war«, erzählt Widdermann.

Dass bei Gewalt, Terror oder der Androhung dessen ein Event ausfallen oder verschoben werden muss, versteht sich von selbst. Dieser Fall kam auch bei AGCS Kund:innen schon vor – auch dieses Risiko sollten Veranstalter deshalb absichern, rät Widdermann. Geht es um das sogenannte Risiko der Pietät, heißt das: Land, Kommune oder Bund ordnen an, ein Event abzusagen, wenn es etwa in benachbarten Regionen Unglücke oder Gewaltausbrüche gab und Feierlichkeiten sich aus Anstandsgründen verbieten. Veranstalter, die das Risiko der Pietät mitversichern, dürfen in solchen Fällen auch selbst entscheiden, eine Veranstaltung zu stoppen – bei vollem Versicherungsschutz. 

Um ein Event zu retten, steht schweres Gerät bereit 

Was Versicherer, Veranstalter und Fans eint, ist der Wunsch, Konzerte möglichst ohne Pannen und mit viel Spaß über die Bühne zu bringen. Eine Gefahr, die Pläne oft durchkreuzt, sind Unwetter – besonders bei Open-Air-Veranstaltungen. Für Wetterprognosen steht moderne Technologie bereit, bei manchen Festivals sind sogar Meteorolog:innen vor Ort. »Dennoch kann es immer passieren, dass sich kleinste Gewitterzellen über dem Eventgelände bilden. Dann muss das Gelände zunächst geräumt werden, weil Gefahr für Leib und Leben besteht«, sagt Widdermann. Die Maßnahmen, die Betreiber dann manchmal ergreifen, um das Event möglichst gefahrlos weiterführen zu können, sind gewaltig: Bagger und Bulldozer rollen an, um Drainagen zu legen, Lkw kippen Ladungen von Holzspänen aus, um Überschwemmungen zu verhindern. Dass die Veranstalter wissen, wo sie im Ernstfall dieses Equipment herbekommen, prüft die AGCS vorher sorgfältig. »Als Versicherungsgesellschaft ist es auch unsere Pflicht, Veranstalter im Vorfeld zu beraten, wie sich Schäden vermeiden lassen«, sagt Bastian Widdermann. Denn im Entertainment gilt, was Freddie Mercury 1991 sang: »The Show Must Go On«.

Text Sandra Michel
Foto picture alliance/PICONE/Ben Kriemann

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