Pandemie, Krieg, Klimakatastrophe: Die vergangenen Jahre haben Unternehmen vor enorme Herausforderungen gestellt. Wir stellen drei Firmenkunden der Allianz vor und zeigen, wie sie ihren Betrieb durch die schwierige Zeit geführt haben und mit welchen Lösungen sie künftigen Krisen entgegentreten wollen.
Folge 2: Der Elektronikteile-Großhändler Avnet aus Poing
Angelika Blaschak streicht mit der rechten Hand über ihren linken Unterarm. »Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich an Corona denke«, gesteht die Europa-Personalchefin von Avnet. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet sie für den amerikanischen Elektronikteile-Großhändler im beschaulichen Städtchen Poing bei München. Blaschak hat dort viel erlebt – Höhen und Tiefen in der Branche, diverse Akquisitionen, Führungswechsel, die Inbetriebnahme eines neuen Logistikzentrums in Poing im Jahr 2011.
Doch im März 2020 schlug die globale Pandemie wie ein Blitz ins Firmennetzwerk ein. Mit einem Mal mussten weltweit die meisten der 15.000 Mitarbeitenden in 140 Ländern buchstäblich den Stecker ziehen. Alle, die aus dem Homeoffice arbeiten konnten, wurden sofort nach Hause geschickt. »An meinem letzten Tag im Büro habe ich meine Sachen zusammengepackt und bin über den menschenleeren Büroflur gelaufen. Es war gespenstisch«, erinnert sich Blaschak. »Ich habe mich gefragt, wann jemals wieder alle zurückkommen würden.«
Zumindest der abrupte Wechsel ins Homeoffice funktionierte recht reibungslos. Dazu zählte auch die Versorgung der Mitarbeitenden, die in den Logistikzentren vor Ort arbeiten mussten, mit Masken, Tests oder Hygienemitteln. »Es war unser Glück, dass wir bereits durch die Vogelgrippe-Epidemie 2011 einen Geschäftskontinuitätsplan für unsere Firma ausgearbeitet hatten«, erklärt Geschäftsführer Brian Wilken. So war es bei Avnet etwa eine Selbstverständlichkeit, dass alle Angestellten mit Laptop und der dazugehörigen Infrastruktur ausgestattet werden konnten.
Mit der kompletten Belegschaft durch die Krise
Trotzdem forderte diese Pandemie das ausgetüftelte Krisenmanagement von Avnet auch wirtschaftlich. »In den ersten Monaten des Lockdowns brach unser weltweiter Umsatz drastisch ein. Das gab es noch nie«, erinnert sich Wilken. Dabei sei man an Marktschwankungen gewöhnt. Denn die Elektronikbranche zählt zu den sogenannten zyklischen Industrien: Alle drei bis fünf Jahre kommt es in der Regel zu einem Umsatzrückgang. Der Kreislauf nimmt meist mit einer steigenden Nachfrage nach Speicherchips von anderen Produkten Fahrt auf, dann folgt der zeitverzögerte Aufbau der Produktion. Ist diese erst mal so richtig in Gang, purzeln wiederum die Preise wegen des hohen Angebots. Bis die Nachfrage wieder sinkt und damit am Ende auch der Umsatz. »Wir sind stolz, dass wir in der Pandemie keine betriebsbedingten Entlassungen aussprechen mussten«, betont Wilken, »wir konnten mit der kompletten Belegschaft gemeinsam durch die Krise gehen.«
»Die Pandemie war für die Weltwirtschaft ein Schlag ins Gesicht. Aber auch ein Tritt in den Hintern.«
Brian Wilken
Aber auf den extremen Abschwung folgte für Avnet die Sonderkonjunktur. »Die Pandemie war für die Weltwirtschaft ein Schlag ins Gesicht. Aber auch ein Tritt in den Hintern«, bemerkt Wilken, »sie hat die Digitalisierung vorangetrieben. Für unsere Branche war das ein Booster.« Plötzlich ist Heimarbeit zur neuen Normalität avanciert. Die Nachfrage nach IT-Ausrüstung stieg bei Firmen wie in Privathaushalten. Leistungsfähige Notebooks für die Arbeit waren ebenso gefragt wie getunte Geräte für Computerspiele, billige Tablets für die Schule, große Monitore, Tastaturen und Mäuse.
Investment in den Standort Deutschland
Und heute? Mark Kempf formuliert es so: »Die Digitalisierung ist mit voller Wucht gekommen – und geblieben.« Kempf ist Europa-Vizepräsident für Finanzen bei Avnet und kennt die Elektronikbranche seit mehr als zehn Jahren. Für ihn hat die Pandemie noch eine andere Entwicklung vorangetrieben: die Dezentralisierung. »Die Branche schaut wieder etwas genauer hin, wo Produktionsstätten oder Logistikzentren gebaut werden«, sagt Kempf. Denn Corona habe gezeigt, wie abhängig die Elektronikbranche vor allem von asiatischen Ländern sei. »Das haben alle durch Lieferengpässe während der Pandemie gespürt. Und deswegen sind gerade viele Distributoren und Hersteller durch die geopolitischen Spannungen in Teilen der Region besorgt. Wir auch, da dort doch der Großteil des weltweiten Bedarfs an Mikrochips produziert wird«, gesteht er.
Wichtig ist für Avnet deswegen auch wieder der sichere Standort Deutschland geworden. »Wir bauen gerade ein hochmodernes Logistikzentrum in Sachsen-Anhalt«, erklärt Kempf. Mehr als 225 Millionen Euro habe man hierfür investiert. So will das Unternehmen vor allem dem für die nächsten Jahre erwarteten Marktwachstum begegnen. 2025 soll das Gebäude für bis zu 700 neue Mitarbeitende in Bernburg an der Saale fertig sein. Dann können dort täglich bis zu 19.000 Pakete mit Halbleitern und Elektrobauteilen an 30.000 Kunden in ganz Europa ausgeliefert werden. Gekrönt wird das nachhaltige Bauwerk durch eine Fotovoltaikanlage auf den Dachflächen der Lagerhallen. Sie soll für Ökostrom sorgen und fossile Energie nahezu überflüssig machen.
Nachhaltig um junge Fachkräfte werben
Nachhaltigkeit – das Thema hat die Pandemie auch bei Avnet ganz oben auf die Agenda gerückt. Natürlich wegen des Umweltschutzes. Selbstverständlich wegen der Wirtschaftlichkeit. Aber auch, weil der Nachwuchs dies einfordert. Wer als Unternehmen junge Fachkräfte anlocken will, muss Nachhaltigkeit leben und bieten. »Immer mehr Bewerberinnen und Bewerber fragen danach, wie wir uns in diesem Bereich aufstellen«, betont HR-Chefin Blaschak. Das fange mit Ökostrom an und gehe weiter mit »Flexible Work« und Homeoffice. Benefits wie Firmenwagen oder Firmenhandy seien dagegen eher Auslaufmodelle der Old Economy.
»Ein gutes Beispiel ist auch unsere betriebliche Krankenversicherung«, erklärt Blaschak. Seit 2011 bietet Avnet seinen Mitarbeitenden in Deutschland die betriebliche Krankenversicherung der Allianz an. Blaschak hat das Modell damals bei Avnet zum ersten Mal eingeführt und damit Pionierarbeit geleistet – in diesem Bereich ist Avnet der älteste Allianz Firmenkunde Deutschlands. »Anfangs haben nur manche Mitarbeitende den großen Mehrwert erkannt«, erinnert sie sich. Mit der Zeit und besonders durch Corona hat sich diese Meinung geändert. Mittlerweile nutzen fast 900 Mitarbeitende den Service, darunter viele junge Menschen. »Das entspricht 78 Prozent der Belegschaft in Deutschland«, bemerkt Blaschak stolz. Für sie ist klar: »Die Pandemie hat allen gezeigt, wie wichtig unsere Gesundheit ist.«
Der menschenleere Büroflur hat sich bei Avnet am Ende wieder mit Leben gefüllt. Durch das Homeoffice ist er sicherlich etwas weniger belebt als früher. Blaschak ist überzeugt: »Dafür sind wir alle etwas zufriedener.«
Text Sonja Hoogendoorn
Fotos Basti Arlt