Magnete, Postkarten oder Muscheln: Urlaubssouvenirs landen im Gepäck von vielen Reisenden. Doch manchmal verirrt sich auch ein Mitbringsel der anderen Art im Koffer. Der Leiter der Reptilienauffangstation München präsentiert vier spektakuläre Fälle
Vermeiden lassen sich blinde Passagiere nicht immer: »Bis zu 15 Tiere landen pro Reisesaison zuerst in den Koffern von Reisenden und dann in der Reptilienauffangstation in München«, sagt Markus Baur, Leiter der Einrichtung. Die meisten Mitbringsel sind ungefährliche Kleintiere aus Europa, wie etwa Skorpione oder Geckos. Immer wieder passiert es aber, dass giftige Tiere sich in die Koffer verirren. Denn selbst wenn man alle seine Gegenstände in Plastikverpackungen verstaut, können Tiere reinkrabbeln, erklärt der Experte.
Doch was tun, wenn sich etwas im Koffer verirrt hat? Nach einem Fund ist der richtige Umgang entscheidend, und vor allem sollte man Ruhe bewahren. Übrigens: Sorgen um die Vermehrung von unbeabsichtigt importierten Tieren braucht man sich nicht zu machen, sagt Baur. Für viele Tiere, die vorher in tropischen Regionen gelebt haben, ist das Klima in Deutschland zur Fortpflanzung nicht geeignet, und die meisten europäischen Kleintiere sind keine Bedrohung für heimische Populationen.
Der Reptilienexperte gibt uns einen Einblick in seinen Alltag: Wir haben vier Geschichten gesammelt, die zeigen, wie vielfältig die eingeführten Tiere sein können. Und auch wenn die lateinischen Namen deutlich beeindruckender klingen, hat die Redaktion die Tiere zur Veranschaulichung ein wenig einfacher benannt, um die Abenteuer von Hector und seinen tierischen Mitstreitern zu schildern.
Hector, der haarige Wüstenskorpion
Name: Hadrursu arizonensis
Herkunft: Kalifornien
Typische Merkmale: Wüstenskorpione sind sandgelb und können bis zu 15 cm lang werden. Sie wirken schlank und haben schmale, pinzettenartige Scheren.
Wie ist das Tier gereist? Im Gepäck eines USA-Reisenden.
Wie gefährlich ist das Tier? Diese Art von Skorpion kann lebensgefährlich sein. Das schmerzhafte Nervengift kann zum Kreislaufkollaps führen und muss im Krankenhaus behandelt werden.
Wie bewahrt man ein gefundenes Tier auf? Den Skorpion kann man einfangen wie eine Hausspinne mit Glas oder Dose. Alternativ eignen sich auch Besen und Kehrblech. Man sollte ihn auf keinen Fall anfassen. Nach dem Einfangen kann man ihn in einer geschlossenen Dose mit zerknülltem Papier aufbewahren, bis das Tier abgeholt wird.
Wen rufe ich an, wenn ich ein Exemplar gefunden habe? Neben der Auffangstation kann man auch die Polizei, Feuerwehr oder Tierrettung anrufen, wenn man einen Wüstenskorpion aufgefunden hat.
Ätna, die Äskulapnatter
Name: Zamenis longissimus
Herkunft: Italien
Typische Merkmale: Äskulapnattern können bis zwei Meter lang werden und haben einen hellen halbmondförmigen, verwaschenen Fleck hinter dem Kopf. Bei Jungtieren ist dieser besonders markant, bei braun gefärbten erwachsenen Tieren kann er auch undeutlich erscheinen. Die Nattern haben große Schuppen auf der Kopfoberseite, und der Hals setzt sich kaum vom Kopf ab.
Wie ist das Tier gereist? Im Radkasten eines Pkw.
Wie gefährlich ist das Tier? Äskulapnattern sind harmlos und ungefährlich. Allerdings sind sie sehr scheu und werden bei Gefahr angriffslustig. Dann versuchen sie zu beißen oder ihre Stinkdrüsen zu entleeren.
Wie bewahrt man ein gefundenes Tier am besten auf? Am besten in einer dicht schließenden Box oder einem trockenen, gut verknoteten Leinenbeutel. Alternativ kann man auch einen Bettbezug nehmen.
Wen rufe ich an, wenn ich ein Exemplar gefunden habe? Man kann das Tier bei der Feuerwehr, Tierrettung oder Auffangstation melden und abgeben.
Georges, der Halbfingergecko
Name des Tieres: Europäischer Halbfinger, Hemidactylus turcicus
Herkunft des Tieres: Südfrankreich
Typische Merkmale des Tieres: Der Halbfingergecko ist eidechsenförmig und hat eine zarte, bräunliche und oft marmorierte Haut. Sein Kopf ist breit und relativ flach, seine Finger- und Zehenspitzen breit.
Wie ist das Tier gereist? Im Gepäck eines Reisenden.
Grad der Giftigkeit/Gefährlichkeit des Tieres: Halbfingergeckos sind vollkommen harmlos.
Wie bewahrt man ein gefundenes Tier am besten auf? In einer Kunststoffdose ausgelegt mit Zellstoff und Luftlöchern im Deckel. Wichtig ist, sachgemäß und vorsichtig zu arbeiten, denn Halbfingergeckos werfen bei Gefahr oder unsachgemäßer Handhabung den Schwanz ab.
Wen rufe ich an, wenn ich ein Exemplar gefunden habe? Einen Halbfingergecko kann man ebenfalls bei der Feuerwehr, Tierrettung oder einer Auffangstation abgeben.
Luisa, der grüne Leguan
Name des Tieres: Iguana iguana
Herkunft des Tieres: Der grüne Leguan lebt in Regen- und Trockenwäldern im Amazonas-Einzugsgebiet und auf den Inseln Mittelamerikas.
Typische Merkmale des Tieres: Die Baumbewohner werden um die 20 Jahre alt und können bis zu zwei Meter lang werden. Sie sind reine Pflanzenfresser.
Wie ist das Tier eingereist? Das eidechsengroße Baby hatte sich in einem Koffer verirrt.
Wie gefährlich ist das Tier? Grüne Leguane sind nicht giftig oder gefährlich. Trotzdem sollte man vorsichtig sein, denn sie können beißen, kratzen oder mit ihrem Schwanz schlagen.
Wie bewahrt man dieses gefundene Tier am besten auf? Man sollte eine ausreichend große Kisten oder Schachtel mit einem Handtuch auslegen. Die Kiste sollte dunkel sein, und man kann auch eine Schüssel Wasser mit reinstellen. Bei der Aufbewahrung für mehr als eine Nacht kann man den Leguan mit Löwenzahn oder Salat füttern.
Wen rufe ich an, wenn ich ein Exemplar gefunden habe? Feuerwehr, Tierrettung Auffangstation/Tierschutz.
Zur Person
Dr. Markus Baur, Jahrgang 1967, ist Leiter der Reptilienauffangstation in München. Als Fachtierarzt für Reptilien kennt er sich bestens mit den Tieren aus und hat schon einige unbeabsichtigt eingeführte Urlaubssouvenirs aufgenommen.
Tipps zum richtigen Umgang mit eingereisten Tieren
1. Ruhig bleiben
Wenn man das Tier selbst sichern kann, sollte man es tun – und vor allem nicht in Panik ausbrechen. Meistens muss man nichts anderes beachten als bei Hausspinnen oder »verlaufenen« Käfern.
2. Haushaltstricks funktionieren auch bei Reptilien
Mit einem Blatt Papier und einem Glas kann man die meisten Tiere gut und sicher einfangen. Bitte nicht draufhauen oder Ähnliches.
3. Hilfe holen
Wenn man unsicher ist, ob das Tier potenziell gefährlich ist oder man sich nicht nah rantraut, gibt es viele Anlaufstellen, an die man sich wenden kann. Die Reptilienauffangstation zum Beispiel – oder einfach auch die Feuerwehr, deren Personal ebenfalls besonders geschult ist. Wichtig: Auf keinen Fall einfach draußen aussetzen!
4. Den richtigen Umgang beachten
Während man auf Unterstützung wartet, sollte man die Tiere artgerecht aufbewahren. Wichtig ist auch, dass sie stets Zimmertemperatur haben.
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Text Selena Gruner
Illustration Jan Steins