23.11.2022

Generation Z spricht übers Autofahren

Bleibt alles anders: Junge Fahrer:innen schätzen die Freiheit individueller Mobilität. Im Vergleich zu ihren Eltern und Großeltern nutzen sie aber verstärkt auch nachhaltigere Angebote. Einblicke in die Wege der Generation Z

Erwachsen werden bedeutet mobiler werden. Kinder schaffen irgendwann den Fußweg zur Grundschule ohne Begleitung, steigen aufs Fahrrad oder in den Bus. Als Teenager sind sie immer häufiger allein unterwegs, auch motorisiert auf E-Bikes oder Mofas –  »ein großer Freiheitsgewinn«, sagt die Sozialwissenschaftlerin Kathrin Klein-Zimmer. Im 2021 erschienenen Buch »Erwachsenwerden heute« hat die Professorin, die an der Hochschule Koblenz lehrt, ein Kapitel zum »Unterwegssein« junger Menschen geschrieben. Die Jugend sei eine sehr mobilitätsintensive Zeit, erklärt sie in einem Podcast des Deutschen Jugendinstituts: »Man schafft sich Freiraum und Unabhängigkeit.«

Besonders ausgeprägt war dieser Drang zum Beispiel bei Elias Bohun. Nach der Matura, dem österreichischen Abitur, hatte der heute 22-Jährige recherchiert, wie weit er mit dem Zug kommen könne. Schließlich fuhr er acht Tage lang 2. Klasse von Wien bis in die vietnamesische Hauptstadt Hanoi. Ein »urcooles Erlebnis«, sagt Bohun, der danach das umweltfreundliche Bahnreisebüro »Traivelling« mitgründete und damit den Nerv der Zeit zu treffen scheint, seine Dienste sind gefragt. Und das Auto? Bleibt stehen? Der Führerschein? Überflüssig? Gar verpönt, seit sich junge Menschen im Angesicht des Klimawandels um ihre Zukunft sorgen müssen? Könnte man meinen. 

Viele Fahranfänger:innen, viele Unfälle

Doch die Zahlen sagen etwas anderes: 92 Prozent der erwachsenen Bundesbürger:innen haben derzeit einen Autoführerschein. Und 76 Prozent der 16- bis 29-Jährigen Führerscheinbesitzer:innen bezeichnen die eigene Fahrerlaubnis als für das tägliche Leben wichtig oder sehr wichtig. Das ergab 2020 eine repräsentative Forsa-Umfrage unter 16- bis 29-Jährigen im Auftrag des TÜV-Verbands.

»Mit der Fahrerlaubnis geht für viele junge Menschen eine große, unabhängige, lokale Mobilität einher«, sagt Sozialwissenschaftlerin Kathrin Klein-Zimmer: »Unterwegssein ist ein wichtiger Verselbstständigungsschritt für junge Menschen.« Im eigenen Auto bedeutet das Freiheit statt Eltern-Taxi.

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Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, interpretierte die Ergebnisse der Forsa-Umfrage 2020 so: »Das Bewusstsein für den Umwelt- und Klimaschutz steigt, aber die Attraktivität des Führerscheins bleibt ungebrochen.« Für die meisten Menschen bleibe er die »Grundlage individueller Mobilität«. Laut Umfrage fahren 63 Prozent der Führerscheinbesitzer:innen täglich oder fast täglich Auto, weitere 23 Prozent mindestens einmal pro Woche. Umso wichtiger ist es, die individuelle Fortbewegung nachhaltiger zu gestalten – zum Beispiel durch den Ausbau und die intelligente Vernetzung von Elektromobilität, Carsharing-Konzepten und öffentlichem Nahverkehr. (Was ein Autoversicherer wie die Allianz dazu beitragen kann, lesen Sie hier in den 5 Thesen zum neuen Autofahren).  

In weiten Teilen Deutschlands ist das klassische Auto mit Verbrennungsmotor allerdings auch für die Generation Z noch das Fortbewegungsmittel der Wahl. Gianluca, Jahrgang 2004, Jurastudent und Basketballer, lebt vor den Toren Kölns und fährt einen zehn Jahre alten Ford Fiesta. Seine Eltern unterstützen das, weil sie wollen, dass er früh Fahrpraxis sammelt. Und Gianluca genießt es, als junger Autobesitzer auch mal Freund:innen und kleine Geschwister von A nach B zu kutschieren. Und die Umwelt? Na klar, auch er denke über das Klima nach, sagt Gianluca. Zur Uni in der Stadt fahre er Straßenbahn. Aber hier draußen, wo er mit dem Auto 20 Minuten zum Basketballtraining brauche und eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln – »da ist es schon gut, ein Auto zu haben«.

Nikola ist drei Jahre älter, auch sie hatte den Führerschein pünktlich zum 18. Geburtstag in der Tasche, so viel Freiheit muss sein. Aber ein Auto? »Brauche ich nicht«, sagt die Psychologiestudentin. Im Alltag reichen ihr Fahrrad und Bahn. »Ohne das Bewusstsein, dass es dem Klima schadet, fände ich es bequem, ein Auto zu haben«, sagt Nikola, »für die meisten Wege gibt es aber andere Lösungen.« Und wenn nicht, etwa bei einem Umzug oder einer Fahrt in entlegene Regionen, »dann bekommt man schon irgendwo ein Auto organisiert«. Die Kunst der jungen Generation ist es, flexibel zu sein. Mobilität ist für sie zur Identitätsfindung so wichtig wie für die Generationen vor ihnen. Aber viele sehen das Auto als möglichen, nicht als einzigen Weg in die Freiheit.

Text     Susanne Rohlfing 
Fotos   Max-Martin Bayer 
Video   Max-Martin Bayer

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